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Special - Zeig dein wahres Gesicht

Special - Zeig dein wahres Gesicht

Titel: Special - Zeig dein wahres Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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der Hut sein.
    Sie saß mit gekreuzten Beinen da, sah zum Lager hinüber und programmierte ihre interne Software so, dass alle zehn Minuten ein Ping ertönte. Aber der Schlaf wollte sich nicht so einfach einstellen. Tallys Augen brannten von den Tränen, die sie bei ihrem Streit mit Shay nicht vergossen hatte. Beschuldigungen hallten in ihren Gedanken wider und ließen die Welt vage und verschwommen aussehen. Sie atmete langsam und tief und endlich fielen ihr die Augen zu.
    Ping. Schon zehn Minuten vorbei.
    Tally sah zu den Krims hinüber, die sich nicht bewegt hatten, dann versuchte sie wieder einzuschlafen.
    Specials waren dafür gemacht, so zu schlafen, aber alle zehn Minuten geweckt zu werden veränderte dennoch auf seltsame Weise die Zeit. Die Sonne schien wie in einem Zeitraffervideo in den Himmel zu schießen, während die Schatten in Tallys
    Nähe sich bewegten wie Lebewesen. Die leisen Geräusche des Flusses verschwammen zu einem einzigen Summen und Tallys Gedanken huschten unruhig zwischen Sorge um Zane und Verzweiflung über den Streit mit Shay hin und her. Sie hatte das
    Gefühl, dass Shay sie auf jeden Fall hassen musste, was immer passierte. Oder vielleicht hatte Shay ja auch Recht und Tally Youngblood besaß eine besondere Begabung dafür, ihre Freunde zu verraten ...
    Als die Sonne ihren Höhepunkt fast erreicht hatte, wurde Tally nicht von einem Pingsignal geweckt, sondern von einem blendenden Licht, das ihre Augen traf. Sie fuhr hoch und ballte die Fäuste zum Kampf.
    Das Licht kam aus dem Lager der Krims. Als Tally sich erhob leuchtete es wieder auf.
    Tally entspannte sich. Es waren nur die solarbetriebenen Hubbretter, die zum Aufladen am Flussufer verteilt lagen. Bei ihrer Wanderung über den Himmel hatte die Sonne die Reflektorzellen im richtigen Winkel getroffen, um Tallys Augen anzustrahlen.
    Während sie die funkelnden Bretter ansah, kam in Tally Unruhe auf. Nach den wenigen Flugstunden mussten die Flüchtlinge eigentlich noch gar nicht neu aufladen - sie sollten sich mehr darauf konzentrieren, unsichtbar zu bleiben.
    Tally schützte ihre Augen und schaute nach oben. Für jeden vorüberkommenden Hubwagen würden die geöffneten Bretter leuchten wie ein Notsignal. War den Krims denn nicht klar, wie nahe bei der Stadt sie noch waren? Die wenigen Stunden mit den Hubbrettern kamen ihnen vermutlich vor wie eine Ewigkeit, aber noch immer standen sie sozusagen an der Schwelle zur Zivilisation.
    Tally fühlte eine neue Welle der Scham. Hatte sie wirklich Shay den Gehorsam verweigert und Fausto im Stich gelassen, um für diese Blubberköpfe das Kindermädchen zu spielen?
    Sie öffnete ihre Hautantenne den offiziellen Kanälen der Stadt und fischte sofort das Geplapper eines Wächters auf, der mit seinem Hubwagen langsam den Fluss entlangpatrouillierte. Der Stadt war jetzt klar geworden, dass die Streiche der vergangenen Nacht einen weiteren Ausbruch gedeckt hatten. Alle bekannten Wege aus der Stadt - Flüsse und alte Schienenstränge - würden jetzt überprüft werden. Wenn die Wächter die offenen Hubbretter entdeckten, würde Zanes Flucht ein schmähliches Ende nehmen und Tally hätte sich Shay ganz umsonst widersetzt.
    Sie fragte sich, wie sie die Aufmerksamkeit der Krims erregen konnte, ohne sich zu verraten. Sie könnte Steine werfen und hoffen, die Krims durch das scheinbar zufällige Geräusch aufzuwecken, aber die hatten vermutlich kein auf die Stadt eingestelltes Empfangsgerät bei sich. Den Flüchtlingen war nicht bewusst, in welcher Gefahr sie schwebten – und deshalb würden sie einfach wieder einschlafen.
    Tally seufzte. Das hier musste sie selbst in Ordnung bringen.
    Sie zog sich die Kapuze übers Gesicht, lief die wenigen Schritte zum Ufer und ließ sich ins Wasser gleiten. Die Schuppen des Tarnanzuges fingen an sich zu bewegen, als sie losschwamm, sie ahmten das Kräuseln des Wassers nach und wurden reflektierend wie der träge, glasige Fluss.
    Als Tally sich dem Lager näherte und den Geruch von gelöschtem Feuer und weggeworfenen Nahrungspackungen wahrnahm, holte sie tief Luft und tauchte. Unter Wasser schwamm sie weiter bis zum Ufer.
    Sie robbte an Land, hob langsam den Kopf und ließ dem Anzug Zeit, sich allen Veränderungen in ihrer Umgebung anzupassen. Er wurde braun und stumpf, seine Schuppen gruben sich in den Schlamm und schoben Tally weiter wie eine Raupe.
    Die Krims schliefen, aber brummende Fliegen und ein gelegentlicher Windstoß entlockte ihnen leises Gemurmel. Neue

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