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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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nee, du.« Die Sache war uns einfach zu heiß. Wir blieben beim Film und bewarben uns bei einem Dokumentarfilm über neue japanische Computertechnologien, dort konnten sie aber angeblich keine männlichen Märchenmägdedarsteller brauchen. Damit hatte niemand rechnen können.
    Wir verließen die ČSSR wutentbrannt und legten einen Zahn zu. Wir hatten also jetzt 33. 33 kleine gelbe Beißerchen. Und der Neue war ein ganz besonders steiler Zahn, den wir an Pornoproduktionen vermieteten, davon konnten wir ganz gut leben. Mit dieser Frau im Mund hatten wir einmal im Monat Zahnfleischbluten. Damit es nicht auffiel, tranken wir damals viel Tomatensaft.
    Während sie Karriere machte, wurden wir immer einsamer und geselliger. Vielleicht arbeiten wir irgendwann mal wieder als Mägde in tschechischen Märchenfilmen, aber vorher, vorher lassen wir uns noch ordentlich von Funk und Fernsehen kaputtmachen.

Als wir noch nicht von Funk und Fernsehen
kaputtgemacht geworden sind,
    da waren wir große Anhänger der Theorie: »Reserviert-Schildchen auf Gasthaustischen ruinieren das Wohlbefinden auf Dauer«. Auch der Theorie: »Bei häufigen Bordellbesuchen verpufft das Geld« verdanken wir viele wertvolle Diskussionen. Wir waren echte Theoretiker. Wir philosophierten viel, zum Beispiel darüber, wie scharf die Tussi wieder aussieht und wie man Rudi untern Tisch saufen kann. Wir fühlten uns als intellektuelle Elite damals: Wir prügelten uns in Bahnhofskneipen und hatten viel Vergnügen daran, in Scherzartikelläden zu kotzen. »Kleiner Scherz«, sagten wir dann. »Sie haben doch sicher Verständnis dafür!«
    Rudi war unser Lehrmeister. Er verstand es meisterhaft, die Aufmerksamkeit interessanter Leute auf sich zu ziehen. Rudi konnte zum Beispiel mit geschlossenen Augen, mit der bloßen Zunge am Reifenprofil die Automarke erkennen. Noch begeisterter waren wir, wenn Rudi mit geschlossenen Augen nur mit der Zunge die Dioptrinstärke von Brillen älterer Herren bestimmte. Unsere Ausflüge ins Seniorenheim waren legendär. Es gab praktisch nichts, was er mit seiner stark belegten Zunge nicht erkennen konnte. Das Alter eines Kindes, die Bildschärfe eines TV -Gerätes und ob die Mandeln eines Menschen so entzündet waren, dass sie operiert werden mussten.
    Beinahe wäre Rudi ziemlich berühmt geworden. Er hatte sich bei »Wetten, dass …« beworben mit einer seiner einfachsten Übungen. Todsichere Wette. Er wollte mit geschlossenen Augen, nur mit der Zunge zehn Nachrichtensprecher erkennen. Leider kam es nie zu diesem Experiment, denn als Rudi am Vortag im Hotel die Voltstärke seines Rasierapparates mit der Zunge rausfinden wollte, starb er. Für uns galt es nun, ohne Lehrmeister auszukommen. Seine Zunge tragen wir noch heute in einem kleinen Herrenhandtäschchen mit uns herum. Halten Sie uns für pervers, aber noch heute geben wir Rudis Zunge jede Nacht einen Zungenkuss. Vielleicht beschäftigen wir uns wieder einmal mit Theorie, aber vorher, vorher lassen wir uns aber noch ordentlich von Funk und Fernsehen kaputtmachen.

Als wir noch nicht von Funk und Fernsehen
kaputtgemacht geworden sind,
    arbeiteten wir jahrelang an der Entwicklung eines Eiskastens, in dem man auch backen kann. Wir verzweifelten nach sechs Jahren intensiver Bastelei und nervenzerfetzender Diskussion an der scheinbaren Unmöglichkeit dieses Unterfangens. Drei Tage nach dem offiziellen Ende unserer Bemühungen präsentierte unser Pfarrer auf der Elektronikmesse den sogenannten Eisofen, ein simples Gerät, in dem man gleichzeitig backen und Lebensmittel kühlen kann. Der Pfarrer war ein Genie: Er erfand nicht nur den Eisofen, sondern auch den Flugzug, die dunkle Lampe, die in zu hellen Räumen Dunkelheit schafft, und die weltberühmte Schuheinlage, die einen kleiner macht. Auf diese Weise sehr reich geworden, beschloss der Pfarrer, sich zurückzuziehen. Er entwickelte eine Maschine, die ihn ununterbrochen nach hinten zieht. Nach unseren Berechnungen dürfte er sich zurzeit durch Australien ziehen lassen. Wir haben nie wieder etwas von ihm gehört, mal abgesehen von der Tatsache, dass wir täglich mehrmals mit ihm telefonieren und in heftigem Briefwechsel stehen. Wir besuchen ihn auch so oft wir können, aber sonst haben wir nie wieder etwas von ihm gehört. Es ist schon traurig, wie Beziehungen auseinandergehen, wenn nichts anderes mehr bleibt als extremes Interesse für den anderen, massive sexuelle Anziehung und große Anteilnahme. Wenn man praktisch verschmilzt zu

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