Speichelfaeden in der Buttermilch
Namen nie merken. Wer kann denn noch den Überblick behalten in diesem Julia-Tanja-Klara-und-Nicola-Dschungel? Wir nannten sie der Einfachheit halber Mike und Krüger. Weil beide so blöd waren und so lange Nasen hatten. Wir liebten sie. Weil sie zwar ekelhaft waren, auf der anderen Seite aber zermürbend uninteressant. Wir schwiegen uns die ganze Zeit an, bis sich auch das erschöpfte und wir gar nichts mehr sagten. So lebten wir also mit Mike, Krüger und den Pudeln. Da keimte ein Wunsch in uns auf. Wir wollten zwar weiter über unsere Verhältnisse leben, aber nicht mehr länger unter unseren Möglichkeiten, denn über uns wohnten zwei Klassefrauen, die heiß auf uns waren. Da war einiges möglich. Sie hießen Nicola und Tanja, zwei wunderschöne Namen, die sich sofort in unser Gedächtnis einbrannten. Wir zogen hinauf und lebten fortan weit über unsere Verhältnisse Mike und Krüger. Wir waren voller Lust und Leidenschaft. Wir hatten ständig Lust, Fußball zu schauen, und spielten leidenschaftlich gern nächtelang Karten.
Alles hätte so schön sein können, aber leider trennten sich Nicola und Tanja von uns. Sie konnten es einfach nicht ertragen, dass wir im Bett viel besser waren als sie. Unser altes Kardinalproblem, wir waren einfach zu gut im Bett.
Wir verließen Europa und bekamen über unsere guten katholischen Verbindungen einen neuen Job in Südamerika. Eine Missionarsstellung. Hier konnten wir brillieren, das hatten wir wirklich drauf. Na ja, vielleicht arbeiten wir wieder mal für die katholische Kirche, aber vorher, vorher lassen wir uns noch ordentlich von Funk und Fernsehen kaputtmachen.
Als wir noch nicht von Funk und Fernsehen
kaputtgemacht geworden sind,
waren wir noch richtige Kinofreaks.
Jeden Morgen trafen wir uns in der Backstube von Pääivi Väähälen, einem finnischen Bäcker, von dem wir uns sofort angezogen fühlten, weil er so unsympathisch war. Außerdem fühlten wir uns von Väähälen angezogen, weil er uns einkleidete. Wir trugen in dieser Zeit ausschließlich schwarz-weiß-karierte Bäckerhosen und weiße Kittel. Wenn jetzt der Eindruck entstehen sollte, dass wir, bevor wir von Funk und Fernsehen kaputtgemacht geworden sind, Bäcker gewesen sind, so ist das grotesk. Natürlich waren wir keine Bäcker, wir sind nur einfach gern von 5 Uhr morgens bis 6 am Abend in voller Bäckermontur in der Backstube gesessen. Dort war immer schlechte Stimmung und das hat uns fasziniert. Am schönsten war es immer, wenn Pääivi Väähälen durchdrehte und uns gegen die Wand schmiss, bis wir leise aus dem Kopf bluteten. Wir denken heute noch gerne daran zurück.
Jeden Tag Punkt 18 Uhr zogen wir uns um, hinkten glücklich aus der Backstube und gingen ins Lichtspieltheater.
Wir lieben diesen Ausdruck. Lichtspieltheater – was für ein Wort für einen Ort, an dem es immer dunkel ist! Wir waren so richtige Kinofreaks. Jeden Tag schauten wir uns ein Anderes an, machten uns Notizen über Bausubstanz, Statik und Inneneinrichtung. Mit einem Zentimeterband maßen wir alles ab, fotografierten die sanitären Einrichtungen, verglichen die Anzahl der Sitze mit der in anderen Kinosälen und kurz bevor der Film anfing, verließen wir beseelt das Lichtspieltheater. Wir waren Kinofreaks, die Filme waren uns scheißegal. Nach Einbruch der Dunkelheit – wir lieben diese Redewendung »Einbruch der Dunkelheit«, weil sie so kriminell klingt. Übrigens auch sehr gut sind Gänsefüßchen. Die besten Gänsefüßchen sind die, die man nicht begreifen kann. Einige Beispiele: Knalleffekt »im« Sensationsprozess. Oder: Verbrecher Tony Wegas riss alten Frauen Handtaschen »weg«.
Des Nachts jedenfalls betätigten wir uns damals als Hundefänger. Wir waren richtig gut. Meistens war es so, dass »Stermann« schmiss und »Grissemann« fing. Begonnen haben wir mit dünnen Hunden und einem Abstand von vier Metern. Im Laufe der Zeit steigerten wir uns. Am besten kann man übrigens Pudel werfen und fangen. Für Hundefängeranfänger ist der Pudel ideal. Heute könnten wir, wenn wir wollten, problemlos einen ausgewachsenen Rottweiler 300 Kilometer weit werfen und fangen.
Vielleicht machen wir's mal wieder, aber vorher, vorher lassen wir uns noch ordentlich von Funk und Fernsehen kaputtmachen.
Als wir noch nicht von Funk und Fernsehen
kaputtgemacht geworden sind,
da waren wir an den Rollstuhl gefesselt. An den Rollstuhl des Hausmeisters. Jeder war an einen Reifen gefesselt. Wenn der Hausmeister dann mit seinem
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