Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
Vom Netzwerk:
annahm. Dank seiner urplötzlich veränderten DE-EN-A -Struktur nannte man Manfred Ulfig-Dunse-Wrampelmeyer kurze Zeit später schon »den geilsten Monsieur im homosexuellen-Milieu«.
    Als Wintroppetz Jahre später zufällig am Homo-Strich seine Liebesdienste anbot und seinen alten Kumpel Manfred glücklich am Boden stöhnen sah, quittierte er das, wie immer, wenn er etwas Ungewöhnliches sah, mit den Worten: »Nanu, nu, nu, nu, nu!«
    Alle Beteiligten dieser Geschichte sind heute längst tot, doch die Moral dieser Geschichte, die lebt fort, in jedem Einzelnen von uns, und nur so wird diese Welt einst einmal die Welt, die wir für unsere Eltern und Kindeseltern uns erträumt. Erst dann ist Frieden in allen Herzen und das Gewissen rein und alle Seelen weiß. Wie Schneeflöckchen, die leise in den Himmel fallen. Wenn's einst so werden wird, und Wintroppetz durchs Himmelszelt herniederblickt, dann werden seine Worte sein: »Nanu, nu, nu, nu, nu!« Diese Geschichte ist hier zu Ende, doch was ihr innewohnt, lebt morgen fort. Und übermorgen und immerzu und immerfort, ganz weit, so weit, wie Mutter Erde diesen Erdenball gebaut, so laut wie Ruh.
    Nanu, nu, nu, nu, nu!
    Lieselotte Pulver
    Einmal hatte er aus der Entfernung Lieselotte Pulver gesehen, und zwar am 13. Juli 1979, während der Aufzeichnung des » ZDF -Fernsehgartens«. Das war schön. Aber dass es rückblickend der schönste Moment seines Lebens bleiben sollte, damit war auch bei größtem Pessimismus 1979 nicht zu rechnen. Bis auf das Pulver-Ereignis am 13. Juli 1979 während der Aufzeichnung des » ZDF -Fernsehgartens« war in seinem Leben wirklich nichts passiert! Mit dem Bild von Lieselotte Pulver vor Augen starb er. Die Beerdigung war relativ kurz, vor allem der Teil, in dem der Pfarrer über das Leben des Verstorbenen sprach. Hier die gesamte Rede im wortwörtlichen Zitat: »Er hat nicht viel erlebt und hinterlassen, aber am 13. Juli 1979 hat der liebe Verstorbene während der Aufzeichnung des » ZDF -Fernsehgartens« aus großer Entfernung Lieselotte Pulver gesehen. Amen.« In seinem Fall verkniff man sich die Grabsteininschrift »Jeder Tag war kostbar«.
    Feuchtigkeit
    Beim Reden spuckte und sabberte er so viel, dass die anderen Köche fanden, er rede wie ein Wasserfall. Wenn's im Restaurant darum ging, lecker Süppchen zu kochen, forderten ihn die anderen Köche einfach auf, »Die Glocke« von Schiller zu rezitieren, und hielten ihm dabei einen leeren Bottich unters Maul, um Wasser zu sparen. Er selbst litt sehr unter diesem Fehler. Wie gern hätte er trocken gesprochen! Mit Frauen traute er sich nur beim Tauchen zu reden. Da ist nicht viel Romantik und kaum ein nettes Wörtchen drin. Er goss seine Blumen, indem er mit ihnen sprach, einer der wenigen Vorteile. Doch die Nachteile überwogen. Bei seinem Auto hatte er mühsam die Scheibenwischer innen angebracht. Das bisschen Regen draußen war kein Problem. Ein Meer der Worte, ein Ozean der Kommunikation. Literweise rann das Wasser ihm den Hals hinunter, bei jedem »Hallo«, jedem »Wie geht's?«. Auf Befehl der Gesundheitspolizei musste er allein auf einer stillgelegten Bohrinsel leben. In vielen Ländern der Welt, die ohnehin von Überschwemmungen heimgesucht werden, hatte er Einreiseverbot. Als sogar Wüstenstaaten ihn auf die schwarze Liste setzten, fühlte er sich als Aussätziger. Er holte aus der Bohrinselbibliothek Hemingways Klassiker »Der alte Mann und das Meer« und las es sich selber laut vor, bis die Bohrinsel überflutet war, und er selbst ausgetrocknet und verdurstet. Im Restaurant kocht man seitdem auch nur mit Wasser.
    Der Gesichtsälteste
    Er hatte das Werk von Marx und Engels ins Plattdeutsche übersetzt, und Kylie Minogues Hit »Your Disco Needs You« ins Hessische. Rocke beschäftigte sich ausschließlich mit linguistischen Nutzlosigkeiten. So hatte er zwölf Jahre damit verbracht, das Wort »ich« in der gesamten deutschsprachigen Literatur seit der Romantik zu zählen. Nach neun Jahren hatte er sich verzählt und musste wieder ganz von vorne anfangen. Sein Doktorarbeit hieß »Wie viele Wörter kann man maximal aus all den Buchstaben bilden, die in der Bibel vorkommen«. Rockes Eltern, die beide in der fleischverarbeitenden Industrie als Dummies für Schlachtschussapparate arbeiteten, waren stolz auf ihren fast drei Meter großen Sohn Rocke. Rocke war ein geistiger Leuchtturm in der verblödeten Münchner Schickeria. Rocke zählte noch keine 30 Lenze, sah aber nach einer

Weitere Kostenlose Bücher