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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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kurz die Schier anzuschnallen. Nach einem kalten Winterspaziergang ließen sie sich ein heißes Schaumbad ein. Als die Wanne voll war, ließen sie, noch immer vor Kälte zitternd, das heiße Wasser wieder aus. Tja, der Weg ist das Ziel und die Freude auf das Glück schöner als das Glück selbst. Von grauenhaften Zahnschmerzen gepeinigt, gingen sie wimmernd zum Zahnarzt. Als der liebe Herr Doktor fragte »Haben Sie Schmerzen?«, sagten sie »ja,« drehten sich stante pede um und gingen unverrichteter Dinge und mit dicker Backe wieder nachhause. Beim Korallentauchen machten sie die Augen zu. Zur Weihnachtszeit freuten sie sich wie die Tiere auf die Bescherung, um dann kein einziges Geschenk auszupacken. Sie bewohnten ein bezauberndes 14-Zimmer-Schlösschen, kauerten aber immer nur in einer Küchenecke. »Die anderen Zimmer sind sicher wunderschön,« stellten sie sich vor. Mit unglaublicher Hingabe bereiteten sie ein ganzes Jahr lang einen Rumtopf vor. Als er fertig war, schütteten sie ihn ins Klo. Ihnen ging es darum, die Phantasie zu speisen, die schöne Braut der Realität. Als sie also da so hocherregt und wieder angezogen im Bett lagen, machte Dicker einen folgenschweren Fehler. Er berührte sie leicht. Da war alles aus. Verstehen Sie die Geschichte? Nein, ne. Alles klar.
    Das Geräusche-Girl
    Zum zweiten Mal hatte sie geträumt, dass sie sechs wildfremde Menschen erschoss, um ihre eigene Haut zu retten. »Der Traum hat Gott sei Dank nichts mit meinem wirklichen Leben zu tun!«, versuchte sie sich zu beruhigen. Schließlich saß sie im Zuchthaus, weil sie sieben Menschen umgebracht hatte, und nicht nur sechs. Sie hatte alle sieben Logopäden, bei denen sie in Behandlung war, ermordet. Alle sieben Spezialisten waren nicht in der Lage gewesen, ihr Sprachproblem in den Griff zu kriegen. Seit der Pubertät litt Arielle unter dem Klang ihrer Stimme. Machte sie den Mund auf, so entstand ein Geräusch, dass sich anhörte, als liefe eine Waschmaschine im Schleudergang. Für eine junge Frau im Labello-Alter wahrlich kein Vergnügen, wie man sich vorstellen kann. Aus Scham traf sich Arielle bei ihren seltenen Rendezvous ausschließlich in Waschsalons. Aber sinnlos, kein einziger Mann verliebte sich in das knatternde Geräusche-Girl. Ihr einziger amouröser Erfolg bestand darin, Schmutzwäsche in den Mund gestopft zu bekommen. So vereinsamte sie. Ihre letzte Hoffnung war die Logopädie. Und tatsächlich, der siebte Logopäde, den das Geräusche-Girl aufsuchte, vollbrachte ein kleines Wunder! Nach zwei Jahren täglicher Behandlung und unzähligen Operationen am Gaumenzäpfchen zeigte sich eine Veränderung. Neben den Waschmaschinengeräuschen war es Arielle nun möglich, alternativ auch das Geräusch hervorzubringen, das entsteht, wenn ein Weißbrot aus dem Toaster springt. Ein kurzes, knappes, metallenes »Flap!« neben dem ewig monotonen, einschläfernden »Womwumwum«. Immerhin: ihr nächstes Rendezvous fand bei ihr daheim am Frühstückstisch statt. Nach ein paar nervösen Flaps und verzweifelten Womwumwums endete das Liebesfrühstück doch wieder mit einem Paar Stinkesocken im Mund. Inzwischen ist Arielle 65 Jährchen alt. Aus ihrer Zelle in der Zuchtanstalt dringen leise Wasch- und Toastgeräusche. Mensch, Sachen gibt's, die gibt's gar nicht.
    Der Weckruf
    17 Stunden und 34 Minuten, mitgestoppt, über 17½ Stunden also hing er in der Warteschleife der österreichischen Inlandsauskunft. Es war 22.00 Uhr, als er gestern die Nummer der Auskunft wählte, um für den nächsten Morgen 6.00 Uhr einen Weckruf zu bestellen. »Das hat sich ja jetzt wohl erledigt«, murmelte er seine Armbanduhr an, als er bemerkte, dass es bereits nach drei am Nachmittag war. Vor neun Stunden also hätte er geweckt werden sollen, aber so hing er immer noch mit längst abgestorbenem Arm in der Warteschleife der Inlandsauskunft. Er legte auf. Besonnen schritt er zur Vitrine, in der sein Onkel, der Vorsitzender im Schützenverein war, seine Gewehre liebevoll aufbewahrte. Zwölf Kleinkalibergewehre schulterte er, griff erneut zum Telefon, um ein Taxi zu bestellen. Nach 6¾ Stunden kam der Wagen, wo zu allem Unglück auch noch ein nüchterner Inländer drin saß, wo er doch einen rauchenden Ausländer bestellt hatte! Er ließ sich mit dem Taxi zur nächsten Telefonzelle führen. Es war ein Wertkartentelefon. Da kam er aber erst drauf, nachdem er sich 3 Sunden und 11 Minuten angestellt hatte, und da stand er jetzt, die Gewehre geschultert, mit

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