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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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hatte. Also blieb mir gar nichts anderes übrig, als Stermanns Rad zu stehlen, das er ohnehin Mathias Zsutty gestohlen hatte, der es wiederum Martin Pieper geklaut hat, der es gestern Nachmittag brav gekauft hatte. Na ja, ich weiß, Eigentum ist Diebstahl – aber, liebe Freunde von FM4 : Diebstahl ist auch Diebstahl!
    Liebes Tagebuch, die Spirale des Verbrechens dreht sich immer schneller in unserer neoliberalen Welt. Claudia Czesch hat mir erzählt, dass ihr Fahrrad noch im Geschäft direkt nach dem Kauf gestohlen wurde, Andreas Gstettners Drahtesel wurde im Geschäft sogar vor dem Kauf gestohlen und mir wurde eben das Rad, das ich gerade erst Senderchefin Eigensperger gestohlen hatte, während der Fahrt unterm Hintern weggestohlen. Ich hab's gemerkt, als ich klingeln wollte, aber die Klingel fehlte, und so bin ich drauf gekommen, dass ich gar kein Fahrrad mehr hatte, auf dem ich saß. Chefcontroller Blumenaus eigener Dienstfahrradraum ist zum Bersten gefüllt mit Rädern. Grob geschätzt stehen dort etwa 7000 Fahrräder. Dabei kann er gar nicht Rad fahren. Egal, sein Lebensmotto lautet »Stehlen ist seliger als geben«.
    21.7.
    Liebes Tagebuch, die Fußball-EM wird natürlich von vielen FM4- Mitarbeitern gesehen, aus unterschiedlichen Gründen. Ich selber schaue ausschließlich, weil ich Stermanns und mein gesamtes Vermögen verwette, Stermann schaut, weil er keine Freunde hat, Magister Thomas Edlinger sieht sich die Spiele an, weil er irgendeine verschnarchte Kunst-Dissertation schreibt zum Thema »Von der Renaissance über die Pop Art zum Pferdeschwanz im modernen italienischen Männerfußball«. DJ Functionist nimmt Fangesänge auf, die er loopt und in Hiphop-Beats umwandelt. Die Kollegen von der Marketingabteilung schauen aus dienstlichen Gründen zu, denn FM4 hat einen Deal mit der lettischen Mannschaft ausgemacht. Wann immer ein Lette groß im Bild ist, muss er »You're at home, Baby – FM4 « sagen. Dafür kriegen die Letten drei Gratisexemplare der Sound Selection. Leider hat noch kein einziger Lette sein Sätzchen gesagt. Auch wenn Michel Attia von der Marketingabteilung ein gebrülltes »Shit« eines Letten gelten lassen will.
    Liebes Tagebuch, ich wusste es. Chefcontroller Blumenau sieht sich die Spiele ausschließlich an wegen der Fouls und Nickligkeiten, des unfairen Spiels und der Zuschauerausschreitungen, um daraus etwas für seinen Alltag zu ziehen. Tritte von hinten in die Achillessehne, Kopfstöße, Schläge mit dem Ellbogen gegen die Schläfe, das ist es, was er will. So war es seit Gründung von FM4 mit jeder Fußballveranstaltung. Blumenau schaut EM s und WM s nur aus diesem Grund. Am ekelhaftesten ist eine Szene einer früheren WM , die er sich auf Video immer und immer wieder begeistert anschaut. Damals waren beteiligt der Serbe Mihailovic und der Deutsche Jeremies, beide im Schreiduell, die Stirn aneinandergedrückt. Plötzlich zuckt Mihailovic mit dem Kopf nach hinten und rotzt dem armen Jeremies in dessen offenen Mund. Wie oft hat er an uns Mitarbeitern schon dieses grobe Foul, diese widerliche Unsportlichkeit begangen? Und bei uns gibt es keinen Schiedsrichter, der ihn vom Platz stellt. Da hilft auch keine Superzeitlupe.
    22.7.
    Liebes Tagebuch, wir könnten uns medienkritisch mit uns selbst beschäftigen, wir könnten internationale Zeitungen lesen, wir könnten uns darum bemühen, innovative Radioideen zu entwickeln, wir könnten Hörerstromanalysen durchführen, aber das letzte, was wir brauchen, ist ein Wassersport-Training. Genau das haben wir aber. Seit zwei Tagen sind wir an der Alten Donau und arbeiten an unseren Fähigkeiten zu Wasser. Und das nur, weil wir auf einer Redaktionssitzung draufgekommen sind, dass es nur zwei Mitarbeiter gibt, die Erfahrung mit Wasser haben, nämlich Mirjam Unger, weil sie eine Unterwassergeburt hatte, und Heinz Reich, weil er in der Nähe des Wörthersees gezeugt worden ist. Bei jedem Hochwasser würden wir draufgehen, und das hätte für FM4 schlimme Konsequenzen, wie Senderchefin Eigensperger meinte. Denn nie mehr würde sie Menschen finden, die bereit wären, unter solchen Bedingungen zu arbeiten wie wir. Also sitzen wir in unseren Badehosen und Bikinis da und lernen alle Finessen, die die Nässe uns abverlangt.
    Liebes Tagebuch, der Tretbootkurs ist viel schwieriger, als ich dachte. Ich schaff es einfach nicht, so ruhig ins Boot einzusteigen, dass es nicht umfällt. Ich bin schon dreimal ins Wasser gefallen und musste dreimal reanimiert

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