Speichelfaeden in der Buttermilch
jetzt ein Alternativ-Sender oder eine Desinfektionsanstalt? Wenn es nach dem Ex-Punk Ederer ginge, müssten wir uns wahrscheinlich beim Eintritt sogar duschen. Wahnsinn, wie Arbeit Menschen verändern kann.
Liebes Tagebuch, ich habe mich heute fast schon wieder erwürgt an einer der zahlreichen Wäscheleinen, die kreuz und quer die Redaktionsräume durchziehen. Hier hängt unser gegen unseren Willen gewaschenes Gewand. Sobald man zur Arbeit kommt, reißt Kollege Ederer einem die Klamotten vom Leib und wirft sie in die große Waschmaschine, dann wird man von ihm mit einem Körperstaubsauger abgesaugt und gekämmt. Ich finde das erniedrigend, liebes Tagebuch. Nackt, nur mit den Hauspatschen bekleidet, müssen wir unsere Arbeit tun. Und ständig rutscht man auf dem glatt gebohnerten Boden aus oder stolpert über Wasserkübel und Besen. Sogar während der Sendungen kommt Putzfimmel Ederer ins Studio und wischt einem mit einem Putzlappen durchs Gesicht und bearbeitet mit Fensterputzmitteln unsere Augen. Muss das sein, sollte FM4 nicht anders glänzen? Armer Andreas Ederer, FM4 hat ihn offenbar völlig kaputtgemacht. Vom Punk zum Besenschrank. Furchtbar, wie Menschen hier umgepolt werden.
18.7.
Liebes Tagebuch, ich muss leise schreiben. Im Nebenzimmer sitzt Chefcontroller Blumenau zusammen mit US -Verteidigungsminister Rumsfeld und vier Soldaten, die im Gefängnis von Abu Ghraib gedient haben und wegen besonderer Brutalität ehrenhaft entlassen worden sind. Scheinbar will der brutale Menschenschinder Blumenau sie jetzt bei FM4 stationiert haben. Er verhandelt mit Old McDonald Rumsfeld über die Höhe des Solds und über das Problem, amerikanische Soldaten im neutralen Österreich einzusetzen. Kollege Stermann ist zu Testzwecken ins Chefcontroller-Büro abkommandiert worden. Durch die Glasscheibe kann ich sehen, wie Stermann nackt, auf einem Zeh balancierend auf einer Bierflasche steht, einen schwarzen Sack auf dem Kopf. Der arme Stermann. Blumenau hingegen klatscht begeistert in die Hände und hat vor Glück ganz rote Öhrchen. Na ja, Stermann, you're not at home, you're at work.
Liebes Tagebuch, die vier Soldaten sind mir sympathischer als Rumsfeld und Blumenau. Sie sind zwar brutal, aber geradlinig, außerdem nur Befehlsempfänger. Die menschenverachtenden Ideen kommen aus den kranken Hirnen der beiden alten Männer Blumi und Rummi, wie sie sich gegenseitig liebevoll nennen. Es war ihre Idee, mir mit einer »Peace«-Fahne die Hoden abzubinden und mir mit dem Schnabel einer weißen Friedenstaube ins Auge zu picken. Ich habe versucht, den Betriebsrat einzuschalten, aber die können nichts für mich tun, weil es laut ORF -Dienstrecht erlaubt ist, Mitarbeiter zu disziplinieren. Aber, liebes Tagebuch, das ist in meinen Augen nicht mehr Dienstrecht, sondern Kriegsrecht.
19.7.
Liebes Tagebuch, Chefcontroller Blumenau wird ja intern nur »die diebische Elster« genannt, weil er alles klaut, was nicht niet- und nagelfest ist. In den Anfängen von FM4 hat er sich damit begnügt, jungen Mitarbeitern die Jausenbrote wegzunehmen und alten Kollegen die Koksbriefchen. Das waren noch selige Zeiten. Damals bemühte er sich auch noch um eine gewisse Unauffälligkeit. Davon ist nichts geblieben. Heute klaut er schamlos öffentlich, vor aller Augen. Er hat während einer Sendung dem sitzenden Hannes Duscher die Lederhose geklaut und dem lesenden Magister Edlinger die Brille. Blumenau scheißt sich nichts mehr – und wenn ich richtig sehe, kommt er gerade jetzt auf mich zu, wahrscheinlich um mir meinen goldenen Kugel …
Liebes Tagebuch, für Chefcontroller Blumenau ist die Welt ein Selbstbedienungsladen. In seiner ORF -Herrlichkeit fürchtet er kein Gesetz. Wer ihn – völlig zu Recht – des Diebstahls anzeigt, dem droht eine hohe Gefängnisstrafe, weil Blumenau als ORF -Bonze das Recht beugen kann. Trotzdem, ich finde mich nur schwer damit ab, ihn mit meinem Auto und in meinem Haus wohnen zu sehen. Die diebische Elster hat mir alles weggenommen, und um mich völlig zu demütigen, hat er mir befohlen, täglich in seinem Büro die Saliera auf Hochglanz zu polieren. Wir leben in einer Diktatur der verbrecherischen Bürokraten, und die stehlen unser Hab, unser Gut und unsere Seelen.
20.7.
Liebes Tagebuch, in Wien gibt es etwa 400.000 Fahrräder, von denen im Jahr etwa 500.000 gestohlen werden, manche mehrmals, teilweise sogar mehrmals am Tag. Mein eigenes Fahrrad wurde mir heute gestohlen, eine Stunde, nachdem ich es gekauft
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