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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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werden, jedes Mal von Kollegen Ostermayer, der mir seine Alkoholfahne direkt in Mund und Nase geblasen hat, so dass ich jetzt hackedicht bin. Er selbst ist bis jetzt über ein bisschen Wassertreten noch nicht hinausgekommen, während Magister Edlinger schon hervorragend tauchen kann. Er ist seit mindestens vier Stunden unter Wasser, und das ohne Sauerstoffflasche. Hut ab!
    Votava, Haipl und Knötzl haben sich beim Versuch, einen Seemannsknoten zu machen, mit dem Seil fast stranguliert und wurden ins Spital gebracht. Mathias Zsutty hat sich verrudert und liegt kopfüber in einem stinkigen Abwasserkanal. Unsere Wasserwoche ist ein Desaster, vor allem frag ich mich, wo all die Kollegen sind, die als vermisst gelten, nachdem sie mit ihrem Segelboot raus auf den offenen Fluß getrieben worden sind. Na ja, wenn sie wirklich ihr Seemannsgrab in der Alten Donau gefunden haben sollten, spielen wir ihnen zu Ehren im Radio einfach den Garish-Hit »Noch auf See«.
    23.7.
    Liebes Tagebuch, um mir ein bisschen was dazuzuverdienen, spiele ich zurzeit in Deutschland bei den Karl-May-Festspielen in Bad Segeberg einen betrunkenen Cowboy, was für mich nicht schwer ist, weil ich mir dazu einfach nur einen Cowboyhut aufzusetzen brauche. Vor einigen Wochen war bei FM4 der Veranstalter der Freilichtbühne zu Gast und hat uns allen Jobs angeboten, weil wir billiger zu haben sind als die Osteuropäer, die sonst immer als Cowboys und Indianer gearbeitet haben. Viele von uns haben begeistert zugesagt, wegen des Geldes und der Reputation. Schadet nicht, wenn man später mal sagen kann: »2004 hab ich viel Theater gespielt.«
    Liebes Tagebuch, ich bin mit meiner Rolle als Häuptlingstochter nicht sehr zufrieden, vor allem, weil ich im letzten Akt von einem Felsen in ein brennendes Ölfass fallen muss. 25-mal bin ich jetzt schon in die Tiefe gestürzt, aus 15 Metern Höhe, und noch nie habe ich das Fass getroffen. Immer knalle ich auf den betrunkenen, neben dem Fass sitzenden Grissemann, was zu gewissen Spannungen zwischen uns führt. Obwohl es nicht im Drehbuch steht, schießt er neuerdings mit Pfeil und Bogen auf mich. Habe seit vorgestern einen Pfeil im rechten Ohr stecken, was für die Zuschauer sehr irritierend ist, weil ich heute von Anfang an mit Pfeil im Ohr auftrete und so tun muss, als wär nix, bis ich endlich nach zwei Stunden runter aufs Fass fallen kann. Ich denke mir, dass vor allem die Liebesszenen zwischen mir und Old Shatterhand lächerlich wirken. Ich mit Pfeil im Ohr – das fördert in der Szene nicht gerade die Romantik.
    24.7.
    Liebes Tagebuch, hier in Bad Segeberg bei den Karl-May-Festspielen trifft man viele FM4- Kollegen, die auch zum Ensemble gehören. Na ja, 20 Euro pro Auftritt abzüglich Unterkunft und Verpflegung, davon können wir bei unserem Hungertuch-Sender nicht mal träumen. Und so ein bisschen Cowboy und Indianer spielen – nun, es ist nicht das Burgtheater, aber es sind die gleichen Bretter, die mir ohnehin nur die Dritte Welt bedeuten. Haipl, Votava und Knötzl hingegen sehen allen Ernstes hier ihre letzte, große Chance. Umso enttäuschter waren sie, als sie vom Regisseur ihre Rollen zugewiesen bekamen. Sie wurden in Bisonkostüme gesteckt und sind jetzt Teil einer Herde, die einmal kurz durchs Freilicht-Theater getrieben wird. Nach einer Minute kommt Chefcontroller Blumenau als widerliches Bleichgesicht und knallt die drei ab. Irgendwie erinnert das an unseren Alltag bei FM4 .
    Liebes Tagebuch, Daddy D. und Burstup schwitzen extrem in ihren Kojotenkostümen, und Dj Functionist hasst es, wenn bei der Schlägerei im Saloon alle immer ihre Flaschen auf seinem Kopf zerschlagen. Ute Hölzl hat es als Siedlerin eigentlich ganz gut, bekommt aber von dem Büffelfleisch, das sie ununterbrochen mampfen muss, einen fürchterlichen Ausschlag. Ostermayer und Edlinger arbeiten in einer Mine als Goldgräber, der Regisseur hält von ihren schauspielerischen Fähigkeiten so wenig, dass sie während des ganzen Stücks unter Tage bleiben müssen, so dass man nur ihr Hacken und Schaufeln hört. Wortchef Pieper hat gegen Mitte des Stückes eine Art Auftritt. Chefin Eigensperger kommt als Squaw aus einem Zelt und hält seinen Skalp in der Hand. Mehr sieht man vom armen Martin Pieper nicht. Trotzdem, die Arbeit hier macht insgesamt unvergleichlich mehr Spaß als die öde Radiosuppe, die man sonst in Wien fabrizieren müsste.
    25.7.
    Liebes Tagebuch, immer wieder bekommen wir Angebote von deutschen Privatsendern, obwohl wir

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