Speichelfaeden in der Buttermilch
Breitling-Uhren. Herr Pfister holte schuldbewusst einen ganzen gestohlenen Bankomaten aus seinem monströsen Rucksack, und Herr Springenschmid packte doch glatt ein gut zwei Kilogramm schweres Heroinpaket aus seiner Schnürlsamthose. Sie hat schon recht, die Senderchefin, die schiefe Bahn darf nicht länger unser Zuhause sein.
Ich selbst, liebes Tagebuch, spielte mich während dieser hochnotpeinlichen Situation als Obersaubermann auf, obwohl ich – dir kann ich's ja sagen, Tagebuch – auch einigen Dreck am Stecken habe. Während meiner ausgedehnten Kleinkunst-Tourneen habe ich aus diversen Hotelzimmern ja nicht nur Haarshampoos, Handtücher, Schuhlöffel und Leintücher mitgehen lassen, sondern auch Kleiderbügel, Allibert-Spiegel, Badewannen, Fernseher, Türklinken, Teppichböden und ganze Betten. Dabei habe ja ich als einziger FM4- Mitarbeiter keine Geldsorgen. Ich bin Kleptomane und kann nicht anders. Ich muss mich irgendwem anvertrauen, aber wem? Grissemann ist diesbezüglich keine gute Vertrauensperson, schließlich hat er vier Fluzeugentführungen und diesen verdammten Saliera-Diebstahl zu verantworten.
Ach Gott, das wird ein böses Ende nehmen, Tagebuch!
6.7.
Hach, Tagebuch, mach, dass der Sommer endlich vergeht. Ich kann nicht mehr. Diese unverhohlenen sexuellen Attacken in den Straßen sind zuviel für meine ohnehin angegriffenen Nerven. Tausende und Abertausende hüpfende Teenagerbrüste, diese Armada an knallengen Lolitajeans, die vor den »Starbucks« dieser Welt am Randstein sitzen, ständig Handknochen am Ohr und Kaugummi im Lustmund. Oh, ich halte das alles nicht mehr aus! Die tanzenden Tatoos am Arschansatz, das Lustfunkeln der Nabelpiercings, das Schlecken am Cornettoeis, dieses Ziehen, dieses Schwitzen, dieses Verlangen. Ich schreib mich hier in Teufels Küche, Tagebuch, ich weiß, aber es musste raus, ich halte das alles nicht mehr aus – mach, dass Herbst wird, Tagebuch, und die geilen Biester wieder Mäntel tragen müssen. Tut mir leid …
Grissemann hat mir heute in einer stillen Minute sein Leid geklagt. Er werde langsam aber sicher wahnsinnig. Die Damen seien ihm entschieden zu knapp und aufreizend gekleidet. Er werde atemlos beim Anblick dieser kurzberockten Wesen und sei kurz davor durchzudrehen. Er überlege, sich in sexualtherapeutische Behandlung zu begeben, wenn das so weitergeht. Schließlich will er nicht als sabbernder Lustgreis enden. Nun, um meinen lieben Freund Grissemann nicht demnächst der Psychiatrie übergeben zu müssen, bitte ich alle Damen zwischen 16 und 46, sich in Hinkunft im Sommer anständig zu bekleiden – will sagen hochgeschlossen und mit Thermohosen. So, und ab morgen widmen wir uns wieder Wichtigerem.
Danke, Tagebuch!
9.7.
Liebes Tagebuch, »Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde«, heißt es. Also hat die ganze FM4- Belegschaft einen gemeinschaftlichen Reitausflug gemacht. Im ORF -Fundus haben wir uns alle eingekleidet, mit Reitstiefeln, engen Reiterhosen, roten Sakkos, Gerten, Reiterhelmen. So ausgerüstet, stieg unsere 80köpfige Reitequipe in die U-Bahn, Ziel: der Wurstelprater. Wir boten einen herzzerreißend lächerlichen Eindruck. Stermanns Helm war etwa acht Nummern zu klein und bedeckte nicht einmal die Hälfte seines Kopfes, Votavas Stiefel waren so eng, dass er mit seinen dicken Wasserfüßen nicht hineinkam. Er ging nicht, sondern schob die Stiefelchen über den Boden. Chefcontroller Blumenau hatte sich 15 Gerten ausgeliehen und schlug damit unkontrolliert und wild um sich; ständig traf er unschuldige Passagiere, so dass im Waggon große Unruhe entstand. Im Prater waren wir dann sehr enttäuscht. Senderchefin Eigensperger gab jedem von uns einen Jeton für eine Runde Ponyreiten. Wie peinlich und unwürdig, wir auf klitzekleinen Pferden zwischen zwei- und dreijährigen Kindern!
Liebes Tagebuch, mein Pony ging mir bis zum Knie und litt unter starkem Durchfall. Es schiss flüssig während des Ritts und schoss mir den Schiss mit seinem Schwanz gegen den Rücken. Meine Beine schleiften über den Sand, und ich hörte die Knochen meines Ponys krachen. Praterbesucher schrien mich an, ich solle mit dieser Tierquälerei aufhören. Ich wäre ja abgestiegen, aber Chefcontroller Blumenau schlug mit der Reitgerte auf mich ein, als ich es versuchte. Ich musste meine Runde fertig machen, mit vollgeschissenem Rücken, von Passanten mit Tomaten und Eiern beworfen und ausgebuht. Ich bin zweimal geritten, liebes Tagebuch, das erste und das
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