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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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bei FM4 arbeiten. Aber leider, Gott sei's gepfiffen und geklagt, immer nur für Konzepte, direkt aus dem Sondermüllkübel moralisch toter und humorverwester, grenzdebiler Unterhaltungsfuzzis. Befruchtungsshows, Sodomie-Soaps, Xenophobie-Gameshows und homophobe Quizsendungen. Erst gestern bekamen wir ein Sendungskonzept geschickt. Es heißt »Der Schrank« und ist ein Realityformat. Neugeborene werden jahrelang in einen dunklen Schrank gesteckt, wo sie, von Kameras begleitet, zu Kaspar Hausers werden. Wer nach 18 Jahren am merkwürdigsten ist, bekommt 5000 Euro (bzw. die Eltern, die ihre Babies als Kandidaten zur Verfügung gestellt haben). Wir haben selbstverständlich abgelehnt, weil wir uns nicht 18 Jahre an eine Show binden wollen. Stermann telefonierte eben mit einer holländischen TV Produktionsfirma. Er hat sich in den Hörer übergeben. Keine Ahnung, worum es geht.
    Liebes Tagebuch, entschuldige, ich muss kurz einen Schluck Wasser trinken gegen den beißenden Geschmack … So, schon besser. Swantje van de Wippje, diese blonde, engelhafte Unterhaltungsfrau aus Amsterdam, hat mich gefragt, ob wir Lust hätten, eine Show zu moderieren, die riesig einschlagen wird, weil's schon im Vorfeld Proteste hagelt von Amnesty International bis zum Europäischen Gerichtshof. Die Show heißt »The Cannibal Game«. 20 Kandidaten beginnen, und am Schluss gewinnt der, der alle anderen aufgefressen hat. Dazwischen gibt's lustige Aufgaben zu erfüllen: Bei den Konkurrenten heimlich Organe entnehmen oder bei witzigen Operationen Extremitäten amputieren und falsch wieder annähen, also Hände und Ohren vertauschen, Zehen an den Arm verpflanzen usw. Ich musste mich übergeben, als sie mir sagte, dass wir pro Show nur 5000 Euro Gage kriegen würden. Nein, Frau van de Wippje. Nicht mit uns. Unter 5500 läuft da gar nix. Zum Kotzen, dieses Gagendumping!
    26.7.
    Liebes Tagebuch, habe jetzt erst erfahren, dass Chefcontroller Blumenau die olympische Fackel ein Stück getragen hat, irgendwo zwischen Saloniki und Athen, und es dabei zum Eklat gekommen ist. Blumenau hatte schon schon nach wenigen Metern keine Lust mehr, warf die Fackel auf den Boden und zertrat die Flamme. »Scheiß auf den olympischen Gedanken«, schrie er und zerquetschte zusätzlich mit der bloßen Hand eine weiße Taube. Es kostete die Republik Österreich und den ORF viel Geld und Diplomatie, Blumenau aus dem Gefängnis irgendwo in den griechischen Bergen freizubekommen. Stermann machte sich jetzt bei Blumenaus Rückkehr in die Redaktion nicht gerade beliebt, als er dem befreiten Blumenau ein »Im Knast dabeisein ist alles!«, entgegenrief.
    Liebes Tagebuch, ich habe olympische Ringe unter den Augen, weil ich wegen meiner frechen Bemerkung sechs Strafschichten aufgebrummt bekam. Zusätzlich schmerzt mein Kreuz, weil Blumenau mich brüllend griechisch-römisch bearbeitete und einen Diskus auf mir zerschlug. Als er sich auch noch zu drehen begann, um mir einen Hammer auf den Kopf zu werfen, trat Grissemann mutig dazwischen. Er ist ein Held, konnte den Wurf aber nicht mehr verhindern und wurde selbst getroffen. Mit dem Ergebnis, dass sein Gebiss jetzt am Hinterkopf sitzt. Beim Zähneputzen macht mein Kollege nun lustige Verrenkungen. Blumenau ist jedenfalls äußerst gereizt. Er brüllt jeden an mit den Worten: »Dir mach ich auch noch ein olympisches Feuer unterm Arsch!« Na ja. Be afraid, honey. It's FM4 .
    28.7.
    Liebes Tagebuch, man kann sich seine Hörer nicht aussuchen. Natürlich hätte ich am liebsten Hörer wie die Coen-Brüder, Kieseritzky, Harald Schmidt, Friedrich Küppersbusch, Antonio Fian oder den 3sat-»Kulturzeit«-Moderator Gert Scobel, aber die Wirklichkeit sieht natürlich bitter aus. Keiner von denen hört meine Sendungen – da würde eher der deutsche Prolo-Boxer René Weller »Salon Helga« hören, als dass Gregor Gysi seine Ohren für so etwas Banales vergeuden würde. Damit muss ich leben. Die Schuld liegt eindeutig bei Stermann, der mit seiner Ruhrpott-Proletenstimme eben jeden feinen Geist in die Flucht jagt. Stermanns Achtelbildung kann er nicht verstecken, und so müssen wir froh sein, wenn Waterloo und Robinson oder Hans Krankl uns einschalten. Ich als Höchstbegabter leide sehr unter diesem Umstand, muss aber notgedrungen mitmachen, weil ich Geld brauche für die Anschaffung der SZ -Bibliothek »50 große Romane des 20. Jahrhunderts«.
    Liebes Tagebuch, ich bin auf Grissemann sauer, weil er meinem guten Freund Boris Uran gegenüber

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