Spekulation in Bonn
gleich. Zur Hölle mit den Spielverderbern. – Ex und hopp.«
Wanitzky zwinkerte seinem Kompagnon zu. »Vorsichtig mit den hochprozentigen Sachen. Das könnte die heute erwünschte Kraft der Geschäftsführer zu früh erschöpfen. Den Triumph wollen wir dem perversen Wachhund nicht gönnen. Chin-Chin!«
Ilka und Niki stippten nur den Finger ins Glas und leckten ihn langsam ab. »Feuerwasser am Kamin – wenn das nicht wärmt«, sagte Ilka und drehte Wanitzky den Rücken zu. »Vielleicht willst du mir helfen, das Kleid aufzuknöpfen?«
Seine Hilfe kam schnell und selbstlos.
»Na, Kai, hältst du mit?« fragte Niki. »Neues Spiel, neues Glück. Ich glaube, heute dürfen wir unser Limit vergessen. Es ist wirklich schön warm im ›Dohlenhaus‹.«
»Und die schwarzen Rabenvögel lieben die Geselligkeit«, lachte Wanitzky ihr zu. Dann strich er sanft mit seinem dunklen Schnurrbart über Ilkas Nacken.
Im Kamin erloschen die Flammen, weil kein Holz mehr nachgelegt wurde. Doch niemand fror auf den Fellen, denn die heißen Steine gaben noch lange die gespeicherte Wärme ab.
Nach diesem Abend, an dem Arno von Sendenstein keinen Anteil gehabt hatte, verlief die Zusammenarbeit in der Geschäftsleitung der Gesellschaft für Investitionsberatung und Koordination ungewöhnlich harmonisch und effizient. Seine wiederholten Hinweise, daß es ihm gelungen sei, Koordinata-Bonn aus schwerer See zu retten, wurden aufmerksam und mit verhaltenem Beifall von den Kompagnons vernommen. Das bestärkte von Sendenstein in dem Glauben, eine Vorrangstellung in diesem Triumvirat einzunehmen. Er schrieb es dem Respekt vor seinen Leistungen zu, daß niemand nach den Hintergründen fragte.
4
Über dem Godesberger Stadtwald lag der Tau des frühen Morgens. Wenige Minuten nach fünf Uhr hatte Vorarbeiter Lehmacher seinen »Jüngling«, den Lehrling Uwe, mit einem kurzen »Auf geht’s« begrüßt und den Holder A 80 angeworfen. Die beiden wollten mit dem Traktor Stämme zum Verladen zusammenholen, damit endlich das Restholz abgefahren werden konnte. Das Revier sollte proper sein, denn hier, auf der für Kraftfahrzeuge gesperrten Venner Straße, einem schmalen geteerten Waldweg quer durch den Naturpark Kottenforst-Ville, joggten oder wanderten die gesundheitsbewußten Bewohner des »Millionenhügels«, wie der benachbarte Ortsteil Schweinheim genannt wird. Höhere Quadratmeterpreise wurden in keiner Wohngegend Bonns gezahlt. Doch die wenigen unbebauten Grundstücke an der Grenze des Waldes waren in fester Hand. Die feinere Gesellschaft blieb unter sich. Die Errichtung der Sowjetischen Botschaft auf der nahen Viktorshöhe hatte zwar einige Unruhe durch die Bauarbeiten gebracht, aber jetzt fühlte man sich mehr gestört durch den Verkehr zum Waldkrankenhaus und zum Reha-Zentrum. Doch es traf nur wenige, die das Pech hatten, unmittelbar an der Straße gebaut zu haben.
»Vorsicht mit der Kette«, rief Lehmacher, als Uwe den ersten Stamm anhängte, »sonst ist die Pfote futsch.«
»Fertig«, meldete dieser und kam angelaufen, um sich auf die Traverse des Holders zu stellen. Das war zwar nicht erlaubt, aber durchaus üblich. Lehmacher gab Gas und fuhr in Richtung Parkplatz Katharinenhof. Der angehängte Stamm tanzte auf dem Asphalt von einer Fahrbahnseite zur anderen. Gut zweihundert Meter weiter, am Schutzhäuschen, sollten die Stämme gesammelt und von dort in den nächsten Tagen abgefahren werden.
Uwe schaute zurück und verfolgte den Schlangentanz des Holzes. Plötzlich ein harter Ruck – der Motor heulte auf und erstarb. Uwe verlor den Halt und fiel rücklings auf die Straße. Unversehrt, aber wütend sprang er auf die Füße und lief auf Lehmacher zu. Sein Protestruf jedoch blieb ihm in der Kehle stecken; abwehrend riß er die Arme hoch: »Um Gottes willen, nein! Nein!« Wenige Meter vor ihm hing ein menschlicher Körper im Geäst des Baums.
»Ach du lieber Himmel! Das hat uns gerade noch gefehlt.« In seiner Bestürzung wußte der Vorarbeiter auch nichts anderes zu sagen. Doch während Uwe noch ein paar Schritte zurückwich, kletterte Lehmacher langsam vom Fahrersitz und ging auf den Baum zu. Kein schöner Anblick: ein Mann in mittleren Jahren, schlank, braunes Haar, gepflegter Stadtanzug – so hing der Tote am Seil an einem ausladenden Ast. Im Gesicht stand das Entsetzen des Todes – verquollene Augen und ein verzerrter Mund; schlaff hingen die Arme herab. Schlaff und feucht vom Morgentau war auch der
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