Spekulation in Bonn
hinzu: »Doktor Seukler raucht nicht.«
»Sehr liebenswürdig«, sagte Freiberg, »aber wir haben unseren Morgentrank schon genossen, und mein Kollege wird seine Zigaretten gern in der Tasche lassen.«
Der nichtrauchende Verwaltungsdirektor war zur Überraschung der Besucher durchaus ein »Zigarrentyp«, untersetzt, mit einem strammen Bäuchlein unter der Weste, einem runden Gesicht und lustigen Augen – kein dynamisch schlankes Vorbild für die Sekretärin.
Seine Begrüßung wirkte herzlich. »Kriminalpolizei im Hause, das ist eine Überraschung. Worum geht es denn?«
»Um Herrn Doktor Jochen Korbel.«
»Nanu, unser Gastarbeiter wird von der Polizei gesucht? Wir suchen ihn auch. Er ist heute nicht zum Dienst erschienen. Ein Unfall?«
»Wieso Gastarbeiter? Korbel ist doch Deutscher.«
»Nehmen Sie es als Scherz. Korbel ist kein ständiger Mitarbeiter hier bei der GeDaSi. In seinem Stammunternehmen gibt es ein paar Probleme mit dem dort eingesetzten Computersystem. Der Hersteller will den Rechner nicht weiterentwickeln. Darum müssen sich einige Anwender schlüssig werden, ob sie auf andere Typen umsteigen oder versuchen sollen, mit dem alten System noch weiterzumachen. In welche Richtung die Entwicklung geht, ist für den Aufgabenbereich von Herrn Korbel von größter Bedeutung. – Aber ich nehme nicht an, daß diese sehr speziellen Fragen für Sie von Belang sind.«
»Der Herr bewahre uns vor dem Unheil!« seufzte Lupus.
»Aber«, fuhr der Verwaltungsdirektor fort, »wo liegt nun das Problem für die Kripo – ist wirklich ein Unfall passiert?«
»Doktor Korbel ist tot«, sagte Freiberg, ohne die Stimme zu heben.
»Erhängt«, fügte Lupus hinzu.
»Um Himmels willen, meine Herren!« Dr. Seukler hielt es nicht mehr auf seinem Platz. »Das ist ja eine schreckliche Nachricht. Ausgerechnet Doktor Korbel. Warum hat er das nur getan? Hat er eine Mitteilung hinterlassen?«
»Nein, nichts«, sagte Freiberg.
»Aber es ist doch Selbstmord?«
Freiberg und Lupus wechselten Blicke. Dann antwortete der Kommissar vorsichtig: »Wir stehen noch am Anfang unserer Ermittlungen. Es gibt da einige Ungereimtheiten. Sie müssen mein Zögern verstehen – noch liegt uns der Befund der Rechtsmediziner nicht vor. Doch warum sagten Sie ›ausgerechnet Doktor Korbel‹? Gibt es Besonderheiten in seiner Person?«
Dr. Seukler ging noch einige Schritte durch den Raum und setzte sich wieder. »Was jetzt gesagt werden muß, ist streng vertraulich. Außer mir kennt niemand in der GeDaSi die wirkliche Funktion dieses Mannes. Nur wenn es gilt, ein Verbrechen aufzuklären, bin ich bereit, die erforderlichen Auskünfte zu geben. – Ist ein Verbrechen zu vermuten?«
»Es spricht vieles dafür«, räumte Freiberg ein, um das Gespräch nicht abreißen zu lassen. »Wir sind von der Mord-Kommission. Genügt Ihnen diese Feststellung?«
»Ja, selbstverständlich. – Also gut.« Der Verwaltungsdirektor lächelte ein wenig: »Korbel ist so eine Art von Umschüler bei uns. Er macht sich mit den hier eingesetzten neuen Computersystemen vertraut. Das, was ich Ihnen eingangs sagte, stimmt. Das ist auch die Version für die Mitarbeiter des Hauses. Doch dahinter steckt mehr. Korbel ist – war – ein Datenschützer, wenn ich das einmal so simpel ausdrücken darf.«
»So wie die Ballermänner da draußen mit den 38ern am Halfter?« konnte Lupus sich nicht enthalten zu fragen.
»Wundervoll diese Definition für unsere Lederjacken. – Doch jetzt Spaß beiseite. Korbels Aufgabe hat nichts mit dem herkömmlichen Schutz der personengebundenen Daten zu tun, über die derzeit von Kompetenten und Inkompetenten gestritten wird. Nein, Korbel war so eine Art Wächter im System, verantwortlich dafür, daß es nicht zu Sicherheitseinbrüchen kommt. Genauer gesagt, daß nichts in die falschen Elektronengehirne gerät.«
Freiberg und Lupus hatten das Gefühl, in die Welt von Science-fiction zu geraten. »Um das halbwegs verstehen zu können, müßten wir wissen, welche Arbeiten hier in der GeDaSi laufen und womit sich das – wie sagten Sie – Stammunternehmen des Herrn Korbel befaßt«, bat Freiberg.
Der Verwaltungsdirektor schmunzelte. »Diese Frage hätten Sie einem der leitenden Wissenschaftler nicht stellen dürfen, ohne Gefahr zu laufen, mit Fachbegriffen erschlagen zu werden. Gott sei Dank sind Sie an einen Juristen geraten, und Sie wissen ja, Juristen sind zu allem fähig; in diesem Fall sogar zu schrecklichen Vereinfachungen. Also: Die
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