Spekulation in Bonn
Winterstraße blinkte gelb. Polizisten mit Signalkellen winkten die Autos zur Seite. Auch Freiberg stoppte. Lupus lehnte sich zurück und gähnte: »Staatstheater in Bonn. Mal sehen, wer heute seinen Auftritt hat.« Zuerst nahte ein Streifenwagen mit Blaulicht, dann sieben Polizisten auf schweren Motorrädern – unverkennbar der satte Ton der 800er BMW. Danach der eminent wichtige Staatsbesucher im schwarzen Mercedes mit Stander rechts und links am Kotflügel. Hinter getönten Scheiben aus Panzerglas saß das »ganz hohe Tier« aus fernen Welten. Nach der Siebener-Eskorte zu urteilen, ein Ministerpräsident oder Staatschef – was bei der Größe und Bedeutung mancher Länder nicht viel besagen mußte. In einem Dutzend ebenfalls schwarzer Limousinen mühten sich die Fahrer ab, dicht an der Stoßstange des Vordermanns zu bleiben, damit die Kolonne nicht auseinanderriß. Distinguiert schauende Insassen warfen bedeutsame Blicke aus den Fenstern oder sprachen angestrengt aufeinander ein. Die Kavalkade wurde langsamer und bog in die steil ansteigende Auffahrt zur Godesburg ein. Den Abschluß bildete ein Polizei-Streifenwagen mit rotierendem Blaulicht.
»Staatsbesuch mit Arbeitsessen«, kommentierte Freiberg. »Aus deutschen Landen frisch auf den Tisch.«
Lupus schüttelte den Kopf. »Du kannst mir doch nicht ernsthaft weismachen wollen, daß die Exoten wirklich arbeiten. Dazu ist das Rheinpanorama dort oben viel zu verlockend. Jede Mark Kapitalhilfe wird den Eindruck von Deutschlands Macht stärken. Unsere haben das inzwischen kapiert: Wer schnell gibt, gibt doppelt; dann bleibt mehr Zeit für das Essen.«
Die Ampel sprang auf Grün, und die Polizisten gaben den Verkehr wieder frei. UNI 81/12 nahm in gemütlichem Tempo die Windungen der Straße bergan. Nach kurzer Zeit tauchten rechts die Gebäude des Rehabilitations-Zentrums auf. Noch zwei-, dreihundert Meter geradeaus, und der weitläufige Komplex der Gesellschaft für Datensicherheit war erreicht. Inmitten eines alten Baumbestands lagen zahlreiche Institutsgebäude. Der ringsum laufende, mindestens zweieinhalb Meter hohe Zaun mit einer doppelten Bewehrung aus Stacheldraht wurde durch das angepflanzte Buschwerk nur unvollkommen kaschiert. Im Vorfeld des Hauptgebäudes erfolgte die erste Kontrolle. Zwei Wachmänner in Lederjacken mit demonstrativ zur Schau gestellten Revolvern am Patronengürtel hielten sich im Hintergrund.
»Das sind die Datenschützer«, witzelte Lupus. »Und was für Kanonen! 38er Smith & Wesson, wie mir scheint. Die guten alten Witwenmacher von Uncle Sam.«
Freiberg zeigte dem Pförtner seinen Dienstausweis. »Kriminalpolizei – wir möchten mit dem Verwaltungschef sprechen.«
»Ich muß Sie telefonisch anmelden. Ihre Namen bitte.«
»Kriminalhauptkommissar Freiberg und Kriminalhauptmeister Müller vom Polizeipräsidium Bonn in einer Ermittlungssache. Wir haben nicht viel Zeit.«
Der Pförtner telefonierte und kam sehr schnell zurück. »Verwaltungsdirektor Doktor Seukler läßt bitten. Hauptgebäude, Zentraleingang. Sie können vorfahren.«
Freiberg dankte.
»Die spuren ja ganz gut«, stellte Lupus anerkennend fest. »Die Frage ist nur, ob die Ballermänner merken, wann es Zeit ist, abzudrücken. Wenn alle so lässig abgefertigt werden wie wir, brauchen die sich nicht zu wundern, wenn ihnen eines Tages der ganze Laden hier um die Ohren fliegt.«
Die Empfangshalle ließ etwas von der nüchternen Funktionalität des Unternehmens erahnen. Rechts an der Wand eine Grafik mit Angaben zu den Standorten der Institute, Abteilungen und Arbeitsgruppen. Daneben auf der weißen Tafel streng hierarchisch die Namen der leitenden Mitarbeiter. Zuerst die Vorstandsmitglieder, dann das wissenschaftliche Personal. Hier gab sich die Computer-Elite mit ihren akademischen Graden ein Stelldichein: Prof. Dr. rer. nat.; Prof. Dr.-Ing.; Prof. Dr. rer. pol.; Dipl.-Ing.; Dipl.-Math. Ganz am Ende rangierte die Administration mit den Abteilungen für Organisation, Personal, Finanzen und den Zentralen Diensten, geleitet von Verwaltungsdirektor Dr. jur. Gerhard Seukler.
Aus der Loge im Hintergrund trat ein dienstbarer Geist hervor. »Zu Herrn Doktor Seukler bitte erste Etage rechts. Die Vorzimmerdame erwartet Sie.«
Sie wartete wirklich, und sie strahlte mütterliche Ruhe aus. Nicht mehr ganz jung, dafür aber adrett und rund. »Doktor Seukler läßt bitten. – Darf ich hier schon fragen, ob Sie Kaffee oder lieber Tee nehmen?« Freundlich, aber bestimmt fügte sie
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