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Spekulation in Bonn

Titel: Spekulation in Bonn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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hinauf. Mit einem Fußtritt stieß Sabine die Tür zu ihrem Zimmer auf. Seit Jahren war es nahezu unverändert. Hier hatte sie die Zeit ihres Studiums verbracht. Hier war sie als Freibergs »studentische Hilfskraft« glücklich gewesen. Hier hatte sie in langen Nächten an ihrer Dissertation gearbeitet, und er hatte Material besorgt und die Korrekturen gelesen. »Die Heiratsprojekte der jungfräulichen Königin von England, Elisabeth L, als Mittel der Unabhängigkeitspolitik« hatten für ein magna cum laude gereicht, und Sabine war dabei dünn wie ein Strich geworden. Zwei Jahre Referendarausbildung am Clara-Schumann-Gymnasium hatten die Hoffnung genährt, den Einstieg in das Lehramt zu finden. Doch dann waren die Bewerbungsschreiben wie Dorfschwalben zurückgekommen: »Wir bedauern außerordentlich… wir können leider nicht… zu unserem großen Bedauern…«
    Sabine warf sich auf die Couch, die schon so manchen Sturm erlebt und manchen Seufzer gehört hatte. »Waldi – das ist das Ende. Vier Absagen an einem Tag, die letzten auf zwei Dutzend Bewerbungen. Das raffst du nicht. – Freu dich, daß du rechtzeitig umgesattelt hast.«
    Walter Freiberg ging zum Eckschrank. In den Flaschen mit Campari, Whisky und Samson Weinbrand war schon viel Luft. Er nahm Sherry – der würde nicht so durchhauen wie die härteren Sachen.
    »Komm trink – auf bessere Zeiten.«
    »Scheiße – Scheiße – Scheiße!« schluchzte sie.
    »Toi-toi-toi«, gab Freiberg zurück. »Jedes Ende kann ein neuer Anfang sein.«
    Sabine kippte den Sherry mit einem Schluck hinunter und hielt ihm das Glas hin: »Mehr!« Sie trank auch das zweite Glas leer, ohne abzusetzen. »So, jetzt wird mir schlechter! Gut, daß du gekommen bist. – Diese Kacker haben doch alle abgesagt. Die Referendarin a. D. ist nicht einmal mehr deine studentische Hilfskraft; sie ist erledigt, arbeitslos, hoffnungslos!«
    »Aber geliebt«, sagte Freiberg und zog sie an sich.
    »O Waldi, dieser Brief Nummer vier, der letzte, den ich aufgemacht habe, weil ich auf den Absender so große Hoffnungen gesetzt hatte, der hat mich umgehauen. Der Herr Kultusminister geruhte mir mitzuteilen, daß es derzeit – zu seinem Bedauern natürlich – keine Einstellungsmöglichkeiten gebe und daß damit in absehbarer Zeit auch nicht zu rechnen sei. Unterlagen anbei zu seiner Entlastung zurück – finis!«
    »Komm, heul dich aus, dann wird’s besser.«
    »Waldi, ich glaube, ich werde besoffen – gib mir noch einen Drink.«
    Sie trank langsam und in kleinen Schlucken. »Noch höchstens zwei Monate, und die Knete ist alle.«
    »Dann gibst du deine Bude auf und ziehst zu mir.«
    »Nein und nochmals nein!« schrie sie ihn an. »Das haben wir doch oft genug durchgekaut. Ich will nicht hinter Gittern leben und darauf warten, daß mein Kommissar mit dem Dolch im Rücken oder einem Loch im Bauch zu seinem Heimchen am Herd zurückgebracht wird. – So ein Leben halte ich nicht aus.«
    Walter Freiberg wußte, daß sich Sabine mit seiner Souterrainwohnung in der Rittershausstraße nicht anfreunden konnte. Der Blick aus vergitterten Fenstern auf die Beine der Passanten stimmte sie schon nach kurzem Aufenthalt melancholisch. Nur nachts gab es das Problem nicht, da waren die Vorhänge zugezogen. Ihm machten die Gitter nichts aus. Sein »Underground« bot viel Raum mit einigem Komfort, in günstiger Lage zu günstigem Preis. An die Fußkälte hatte er sich gewöhnt.
    »Gut, dann bleibst du also hier. Wir heiraten und leben getrennt. Mit meinem Gehalt kommen wir schon irgendwie über die Runden.«
    »Nein«, sagte Sabine sehr leise und sah ihn mit dem Blick eines Menschen an, der darauf wartet, daß das eingenommene Gift endlich wirkt. »Jetzt ganz gewiß nicht! Erst muß ich aus dieser verdammten Scheiße heraussein.«
    »Du wirst es schon schaffen.«
    »Bald bin ich dreißig!«
    »Das habe ich längst hinter mir. – Wir sind ein uraltes Liebespaar, meine jungfräuliche Königin.«
    Sie nahm noch einen Schluck und preßte sich an ihn. »Dann zeig das auch. Zur Hölle mit dem Kultusfritzen – ich hätte es jetzt gern sehr heftig.«
    »Du bist nicht nur betrunken, sondern auch verrückt.«
    »Und unglücklich und wütend. – Waldi, pack zu!«
    Walter Freiberg ließ seine Hand behutsam über ihren Körper gleiten.
    »Faß mich doch nicht so an, als wäre ich krank.«
    Walter warf seine Jacke auf den Boden und zog die Pistole aus dem Schulterholster. Sabine ließ ihm kaum Zeit, die Waffe auf den Couchtisch

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