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Spekulation in Bonn

Titel: Spekulation in Bonn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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deute, mußt du dich um deine studentische Hilfskraft kümmern?! Also kein Widerspruch, ich fahre jetzt und setze dich an der Beethovenstraße ab.«
    Freiberg schien beunruhigt zu sein. »Möchte doch wissen, was dort los ist. Sabine hat wohl echte Schwierigkeiten, wenn sie mich im Dienst anruft. Aber unser Fall…«
    »Ach laß! Leichen haben kein Zeitgefühl; kümmere du dich erst einmal um die Lebenden. Ich werd’ mich inzwischen an den Erkennungsdienst hängen und unseren Rechtsmedizinern den Strick um den Hals legen. So tot kann doch niemand sein, daß denen dazu kein Kommentar einfällt.«
    Lupus ließ den Motor an und fuhr an den Wachmännern in den schwarzen Lederjacken vorbei, die gewiß vom Pförtner erfahren hatten, wer in diesem Dienstwagen saß. Sie legten ihre Hände an die Smith & Wessons und deuteten einen Gruß an.
    Lupus grinste: »John Wayne in doppelter Ausführung. Ballermänner als Datenschützer. Unsere Ermittlungen kommen gut voran.«

 
    6
     
     
     
    Die Beethovenstraße liegt im Westen des alten Bonn. Um nicht am Polizeipräsidium vorbeifahren zu müssen, nahm Lupus den Weg über Kessenich. Schon bald umfing sie der süßliche Duft aus Haribos Lakritzenküche.
    Lupus kannte seine Stadt. Ein Stückchen Reuterstraße und dann der Schleichweg am Poppelsdorfer Schloß entlang. Freiberg hatte kein Auge für die von Balthasar Neumann zu einem Renaissance-Schloß umgestaltete Wasserburg, worin Kurfürst Clemens-August seine Kunstschätze angehäuft hatte. Nichts erinnerte noch daran, daß einstmals die mit venezianischen Spiegeln und Seidenvorhängen ausgestattete Prunkgondel des von den Bonnern so heiß geliebten Kirchenfürsten auf dem Schloßweiher gedümpelt hatte – der weltlichen Freuden wegen.
    »Sollte hier nicht mal unser Herr Bundespräsident einziehen?« fragte Lupus.
    Freiberg schreckte hoch. »Wie? Ach so, ja. Aber daraus wird wohl nichts. Villa Hammerschmidt am Rhein ist sicherer als das ›maison de plaisance‹.«
    Noch ein paar Kurven bis zur Beethovenstraße. So düster wie in Samuel Füllers Tatort-Verfilmung »Tote Taube…« sah sie wirklich nicht aus. Schmale Bürgerhäuser aus der Gründerzeit mit ausgewogenen Gesimshöhen und frisch ausgemalten Fassaden kündeten vom Wohlstand einer vergangenen Epoche. Inzwischen hatte manche Hausbesitzerwitwe ihr Herz für die Studenten entdeckt. Ein untrügliches Zeichen dafür waren die vielen Fahrräder, angekettet an die schmiedeeisernen Zäune der Vorgärten. Lupus verlangsamte die Fahrt und hielt schließlich vor einem roten Backsteinbau.
    »Ich melde mich so schnell wie möglich wieder im Büro; du weißt ja, wo ich bin«, sagte Freiberg, bevor er die Autotür ins Schloß warf.
    »Okay, Chef.«
    Walter Freiberg musterte die im Laufe der Jahre noch rostiger gewordenen Briefkästen und stolperte über die immer noch nicht ausgebesserte Stufe der Steintreppe. Der Leukoplaststreifen unter dem Klingelknopf war erneuert. Sabine Heyden – 4X drücken. – Früher hatte dort gestanden: 4X tüchtig drücken; aber zwei Jahre Referendarzeit im Lehramt hatten ihre Spuren hinterlassen.
    Auf das vereinbarte Klingelzeichen – dreimal kurz, einmal lang – blieb es still in dem hohen Treppenhaus. Wie oft hatte er Sabine die hölzernen Treppenstufen herunterkommen hören, in Turnschuhen oder auch in Clogs, so daß die Nachbarhäuser bebten. Diesmal hörte er nichts. Noch einmal drückte er den Klingelknopf. Der widerhallende Ton war noch nicht verklungen, da öffnete sich langsam die Tür. Ein feingliedriges, dunkelhaariges Mädchen sah ihn aus verweinten Augen an.
    »Sabine, was ist?« fragte er nur.
    Sie warf sich in seine Arme. »Waldi«, heulte sie los. In jeder anderen Situation hätte sich Freiberg mit passenden Worten gegen den »Waldi« gewehrt. Doch jetzt spürte er, daß weder Zeit noch Ort für die üblichen Begrüßungsscherze war. »Was ist? Die Kuhnert hat mich angerufen.«
    »Waldi, es ist aus. Heute sind mit der Post vier Absagen gekommen. Hörst du? Vier! Man sollte sich aufhängen.«
    Walter Freiberg durchfuhr der Schock. Er nahm Sabine bei den Schultern und schüttelte sie wie ein Besessener, bis sie vor Schmerzen aufschrie. »Sabine! Sag so etwas nie wieder, hörst du, nie wieder! Auch nicht im Scherz. Das Bild ist unerträglich. Lupus hat vor ein paar Stunden geholfen, einen Erhängten aus dem Baum zu holen. In dieser Sache waren wir unterwegs, als dein Anruf kam. – Was ist nun genau?«
    Beide stolperten die Treppe

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