Spekulation in Bonn
bediente mit seinem »Bauchladen« mehr als ein Dutzend Zeitungen und Zeitschriften, dazu die Presseagenturen. Außerdem hatte er einen guten Draht zu den Studios von Funk und Fernsehen. Mittelgroß, alert und sportlich – heute im karierten Hemd mit Lederblouson –, die stets schußbereite Winder-Kamera über der Schulter, so entsprach »Presse-Mauser« vollkommen dem Klischee des »rasenden Reporters«. Zur Polizei hielt er besonders guten Kontakt, denn Meldungen über Verbrechen in Bonn fanden eine breite Resonanz in den Medien. Er lebte ständig unter Hochdruck und gab seine Berichte mit einer Geschwindigkeit in den Schreibcomputer, die jede Sekretärin hätte erblassen lassen.
»Jetzt Klartext – was wissen Sie vom Fall Korbel?« fragte der Kommissar.
»Sie meinen, was ich vom Fall Korbel wissen möchte«, drehte sich Mauser aus dem Zwang zu einer Antwort heraus. »War es Mord oder Selbstmord?«
»Eine Minute ist gleich rum«, sagte Freiberg. »Wenn das so weitergeht, werden Ihre Leser nicht viel erfahren. – Also?«
»Do ut des?« vergewisserte sich Mauser.
»Gibste mir, geb’ ich dir; das alte Spiel…«, setzte Freiberg an, als Lupus mit Schwung ins Zimmer trat.
»Da schlag’ doch einer lang hin. Der Lügenoptiker weilt unter uns. – Wird er lästig, Chef?«
Freiberg winkte ab. Er wußte, daß Lupus und Mauser alte Freunde waren, die schon manches Glas Kölsch miteinander geleert hatten, sich aber wie zwei Raubkatzen gebärden konnten. Jeder versuchte, den anderen auszutricksen und ihm Informationen zu entlocken.
»Dein Freund will uns helfen«, erklärte Freiberg.
»Irrtum, Chef – der will uns ausnehmen.«
»Für diese erbauliche Diskussion bekomme ich eine Minute gutgeschrieben«, sagte Mauser und wiederholte seine Frage: »Mord oder Selbstmord?«
»Also gut, fair play«, sagte Freiberg. »Alles was geschrieben wird, bekommt ein dickes Fragezeichen. Wir gehen von Mord aus, haben aber nach rechtsmedizinischen Gesichtspunkten keine hundertprozentige Sicherheit. Motiv und Täter unbekannt.«
»Spuren?«
Freiberg zögerte. »Helfen Sie uns?«
»Na klar.«
»Also: Korbel ist in der letzten Nacht gegen zweiundzwanzig Uhr dreißig von seiner Wohnung in der Burgstraße abgeholt worden. Freundschaftliches Gespräch mit einem Mann, dann Einstieg in einen Mercedes 280 älterer Bauart. Farbe hell; was immer das heißen mag. Am Steuer eine blonde Frau. Abfahrt in Richtung Godesburg – also in Richtung Todesort. – Ende unserer Erkenntnisse.«
»Ich hetze meine Leser hoch.«
»Worum dringend gebeten wird.«
»Probleme in der GeDaSi?«
»Keine. Korbel wollte sich dort zwei Monate lang mit neuen Computersystemen vertraut machen. Die Hälfte der Zeit war abgelaufen.«
»Was sollte dann geschehen?«
»Er sollte zurück nach Mehlem in sein Stammunternehmen.«
»Bundeswehr!«
»Stammunternehmen – bitte.«
»Gut, also Stammunternehmen. Was ist nun mit dem Selbstmord durch Kopfschuß damals an der Rheinbrücke?«
»Der Kripo bekannt, bisher aber keine Zusammenhänge ersichtlich. Es wäre für Sie besser, Mehlem nicht zu erwähnen. Sonst könnten die Dienste sauer werden. Das steht ein Journalist nicht lange durch.«
»Mauser schon.«
»Egon, Egon, du gehst einen schweren Gang«, warnte Lupus. »Bleib auf dem Teppich. Es gibt auch so Stoff genug. – Leg dich mit mir an, aber nicht mit Leuten, denen du nicht gewachsen bist.«
»Gut, Mehlem bleibt draußen vor – einstweilen. Aber ich bekomme es aus erster Hand, wenn sich da etwas entwickelt.«
»Versprochen«, sagte Freiberg.
»Aufs Auge«, ergänzte Lupus freundlich, »von mir persönlich.«
»Korbel hing an einem Abschleppseil. – Erkenntnisse?«
»Ich habe dich nicht im Stadtwald gesehen. Woher hast du diese Information?« fragte Lupus überrascht.
»Recherchen und Interviews. Was meinst du denn, womit ich mein Geld verdiene? Ich hab’ auch mit dem Waldarbeiter gesprochen. – Gibt das Seil was her?«
»Bisher nichts, außer der Tatsache, daß es aus Hanf ist.«
»Aha, wenigstens etwas. Ich denke, die Dinger sind aus Stahl oder Kunststoff.«
»Eben – nur dieses nicht«, kommentierte Lupus. »Frag mal deine Leser, vielleicht wissen die mehr darüber.«
»Kann ich Fotos machen?«
»Geht jetzt nicht. Die Kriminaltechniker haben das Seil. Und wenn du in der KTU erscheinst, hängen die dich dran auf. Aber du erhältst einen Abzug, sobald wir ihn bekommen können.«
»Danke. – Wie geht’s weiter?«
Freiberg lächelte.
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