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Spekulation in Bonn

Titel: Spekulation in Bonn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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ruhten in dem schweren Standregal vor der Stirnseite des Kellers. Aus weiter Ferne drangen undefinierbare Geräusche wie von einer Baustelle ans Ohr.
    Henrico bückte sich, nahm einen handgroßen Stein aus dem Mauerwerk und ließ durch einen Knopfdruck das Regal mit den Grands-Grus samt einem Teil der Wand zur Seite gleiten. Jetzt ließen sich die Geräusche definieren; erst einzeln: plopp-plopp, dann in schneller Folge wie das Ratschen über einen Kamm: tak, tak, tak, tak. Henrico gab über den Flackerschalter das vereinbarte Signal. Von innen wurde die schalldichte Tür des Schießkellers geöffnet.
    »Die reinste Mähmaschine«, sagte Benno und hielt ein ölig glänzendes AUG STEYR Sturmgewehr hoch. »Warum muß es beim Kaliber 5,56 eigentlich immer Amerikas M 16 sein? Wir sollten uns mehr nach Austria orientieren – exzellente Werkzeuge, sage ich dir, und weniger Probleme mit den Ausfuhrbestimmungen. Wir könnten über Jugoslawien verschiffen. In Kardeljevo-Ploce hat schon mancher Steamer heiße Ware geladen. – Was gibt’s?«
    Henrico tippte mit beiden Zeigefingern an seine Ohren. Benno nickte und nahm den Gehörschutz ab. »Also – warum kommst du hierher?«
    »Wir haben Schwierigkeiten. Lad ist im Torre und will uns sprechen. – Er ist extra hergeflogen.«
    »Wegen der ›Tina Robin‹?«
    »Wahrscheinlich. Treffen um halb drei in der Rotunde. Küken und Basil sind mit von der Partie. – Wo kann ich die auftreiben?«
    »Basil im Lager, Küken bestimmt bei den Mädchen. – Sind die etwa auch erwünscht?«
    »Nein, der Boß hat sie ins Wochenende geschickt.«
    »Verdammt! Dann sieht’s in der Tat trübe aus«, stellte Benno fest und hängte den Gehörschutz zu den anderen auf einen Holzhaken.
    »Bitte beeil dich, du sollst für uns etwas zu essen machen.«
    »Geht schon klar. – Aber Waffen sind das! Lieferbar mit Zielfernrohr und allen Schikanen.«
    Benno sprach bedächtig. Im graublauen Overall wirkte er wie ein solider Handwerker, der sich von der Hektik seiner Kunden nicht beeindrucken läßt. Das gemütliche Rund seines Gesichts und die sanften braunen Augen strahlten Ruhe aus. Für ihn hatten Waffen keinen Charakter, sondern nur technische Qualitäten – sonst nahm er sie gar nicht erst in die Hand. Er vergewisserte sich, daß das Sturmgewehr entladen war. Durch den noch warmen Lauf zog er zwei-, dreimal die Gliederkette mit dem Öllappen. Dann stellte er die Waffe zu den anderen Mustern in das Regal und ging in die Küche.
    Das Lager im Seitentrakt der »Moulin à Vent« enthielt nur Handfeuerwaffen und die dazugehörige Munition. Schwere Werkzeuge wurden in der Regel direkt beim Hersteller abgerufen, allenfalls für wenige Tage in Antwerpen oder anderen Häfen zwischengelagert. Doch das war die Ausnahme.
    Basilius Tekov, kurz Basil genannt, wuchtete mit einem Mini-Stapler Munitionskisten übereinander, um Platz für neue Lieferungen zu schaffen. Henrico Sarkis ging dieser vierschrötigen Gestalt mit der niedrigen Stirn und dem armenischen Kraushaar nach Möglichkeit aus dem Wege. Als er ihn jetzt mit einem lauten »Hei« anrief, wurde er prompt mit einem der üblichen Flüche bedacht. »Son of a bitch, was treibst du dich hier herum? Hau ab! Du siehst doch, daß ich arbeite.«
    »Du sollst um vierzehn Uhr dreißig im Torre sein. Es gibt einiges zu besprechen.«
    »Fuck off, oder sag mir schon, was du willst.«
    »Ich hab’ Lad vom Flugplatz abgeholt. Er will uns sehen – das gilt auch für dich«, rief Henrico ihm zu und drehte sich um.
    »Okay, sag das doch gleich. Der Boß ist der Boß.«
    Henrico wußte, das Basil und Küken für den Chef unentbehrlich waren. Sie fungierten als Kofferträger, clevere Disponenten und Bodyguards zugleich. In einer Bodega in Tanger hatten sie Lad ihre bedingungslose Ergebenheit bewiesen, als sie ihn aus einer brenzligen Situation wirkungsvoll herausgehauen hatten. Dabei war nicht nur das Mobiliar auf der Strecke geblieben, sondern auch ein »freundlicher Geschäftspartner«, der die Lieferung von Waffen durch eine Anzeigendrohung erpressen wollte.
    »Wo ist Küken?« fragte Henrico.
    »Bei den Hennen – wo sonst?«
    »Die sind nicht mehr im Stall; Lad hat sie ins Wochenende geschickt.«
    Basil lachte laut. »Dann such dein Küken mal am Gare du Nord – diesen kleinen geilen Fleischfresser.«
    Als Henrico zum Torre zurückkam, hockte der Gesuchte bereits in der Rotunde und versuchte, Lad Wany mit unterhaltsamen Stories aus »Anwenderkreisen« aufzuheitern.

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