Sphaerenmusik
übergab er seinen Betrieb dem einzigen Sohn aus erster Ehe und übersiedelte mit Elisabeth und Pamela nach Harleigh Castle, weil er die Heimat seiner Ahnen übe raus liebte.
Jäh schreckte das junge Mädchen aus ihren G edanken auf, als sich von hinten eine Hand auf ihre Schulter legte und Elisabeth fragte: „Nun, Silvi, wie gefällt dir Schottland?“
Ehe sie antworten konnte, lachte John auf und meinte: „Aber Lissy, sie hat ja noch kaum etwas davon ges ehen.“
„Fahren wir nicht schon lange genug durch das schottische Hochland, um sich ein Urteil bilden zu können?“, ereiferte sich Elisabeth. „Aber lass mal“, sie strich ihrer Nichte liebevoll über das rotblonde Haar, „von unserem Schloss wirst du entzückt sein.“
„Silvi, das Schloss ist unheimlich romantisch!“, rief Pamela, die neben ihrer Mutter saß. „Wie im Mittelalter, und Gespenster gibt's dort auch.“
„Aber Pam“, tadelte die Mutter, „Gespenster gibt es nicht. Nachher hat Silvi noch Angst.“
Silvia wandte sich um und lächelte ihrer Tante zu. „Ich bin nicht abergläubisch. Und außerdem“, scherzte sie, „habe ich mir schon immer gewünscht, wenigstens einmal in meinem Leben in einem richtigen Gespensterschloss zu wohnen.
„Dann geht dein Wunsch bei uns bestimmt in Erfüllung“, blieb Pamela bei ihrer Behauptung. „Da gibt es zum Beispiel...“
„Pamela“, unterbrach die Mutter sie, „hör endlich mit dem Unsinn auf! Hast du schon einmal ein Gespenst gesehen?“
„Leider nein“, antwortete Pamela bedauernd, „aber Ellen sagt...“
„Was Ellen sagt, ist mir egal“, erklärte Elisabeth energisch. „Ellen ist im Aberglauben aufgewachsen. Ihre Geschichten sind nur Legenden.“
„Kinder, zankt euch nicht“, griff John in die D ebatte ein. „Schaut euch lieber die Umgebung an. Ob Gespenster oder nicht, es gibt keinen schöneren Ort als Harleigh Castle. Ich bin froh, in die Heimat meiner Eltern zurückgekehrt zu sein, die auch die Heimat deines Vaters war, Silvi.“
Pamela, dreizehn Jahre jung, kicherte und fl üsterte ihrer Kusine zu: „Und es gibt doch Gespenster! Ich habe zwar noch keines gesehen, dafür aber das Spiel des Phantom-Geigers gehört.“
„Des Phantom -Geigers?“, fragte Silvia ebenso leise zurück.
„Still, ich erzähle es dir später.“
Pamela sah zu ihrer Mutter hinüber. Ihre blauen Augen blickten amüsiert. Sie hatte überhaupt ein fröhliches Gesicht. Ihre niedliche Stupsnase war mit Sommersprossen gesprenkelt, und ihre kurzen, roten Locken hingen ihr immer wild um den Kopf herum. „Psst, ich glaube, Mama schläft.“
Aber Elisabeth schlief nicht. Sie war nur etwas abgespannt und hatte sich mit geschlossenen Augen in ihre Ecke gekuschelt. Sie war eine sehr schlanke Frau mit kastanienbraunem Haar und braunen A ugen, dreiundvierzig Jahre alt. Sie war die Schwester von Silvias Adoptivmutter Hannelore. Jetzt weilten ihre Gedanken wieder einmal in der Vergangenheit:
Vor neunzehn Jahren wurde ihr Vater als Ing enieur für ein Jahr von seinem Betrieb aus nach Edinburgh versetzt. Seine Frau und seine beiden jüngeren Töchter Charlotte und Elisabeth begleiteten ihn.
In einem Edinburgher Cafe begegneten sie ein ige Wochen vor ihrer Rückkehr nach Deutschland Lord Allan Harleigh und seinem Vetter John MacKean. John war nach Schottland gekommen, um an dem Begräbnis seines verstorbenen Onkels, Lord William Harleigh, dem Bruder seiner Mutter, teilzunehmen. Lord Allan, der einzige Sohn Lord Williams, war nach dem Begräbnis mit seinem Vetter nach Edinburgh gefahren, um dort die Erbschaftsangelegenheiten zu regeln. Die Erbschaft bestand allerdings nur aus einem alten, verwitterten Schloss und einem kleinen Land- und Waldbesitz.
Elisabeth öffnete ihre Augen und sah liebevoll auf Johns breiten Rücken. Ihr selbst war es ve rgönnt gewesen, den Mann ihrer Liebe zu heiraten, wenn auch erst nach vier Jahren, denn John war noch verheiratet gewesen.
Bei Charlotte war alles anders gewesen. Vom ersten Moment an hatte sie sich zu sehr in Lord Allan verliebt. Da er ledig und ihrer Meinung nach auch wohlhabend war - schließlich war er ja Schlossbesitzer -, gab sie seinem stürmischen We rben nur allzu bald nach. Aber als dann die Eltern nach Deutschland zurückkehren mussten, hatte Allan noch immer nicht bei ihnen um Charlottes Hand angehalten, wie es das junge Mädchen erwartet hatte. Er kam auch nicht mehr zu dem vereinbarten letzten Rendezvous.
Charlotte vergaß ihren Stolz und rief bei
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