Sphaerenmusik
hellerleuchteten Fenster des Mittelbaues gewesen wären. Hinter dem Bauwerk ragten steile, kahle Felsen auf. Links hinter der Mauer zog sich der Wald den Hang hinauf, rechts aber, nur ein paar Meter vom Schloss entfernt, lief die Mauer an einem Abhang entlang. Jenseits des Abgrundes stiegen bewaldete Berge empor. Je höher der Blick glitt, um so spärlicher wurde das Grün, bis das nackte Gestein hervortrat. Von einem der Felsen stürzte ein riesiger Wasserfall in die Tiefe.
Der Wagen hielt und John sagte: „Willkommen auf Harleigh Castle, mein Kind!“
„Nun, hab' ich dir zuviel versprochen?“, fragte Elisabeth.
„Nein“, versicherte Silvia strahlend, „das Schloss und die ganze Umgebung sind so wildr omantisch, dass ich mir wie im Mittelalter vorkomme.“
Ein älterer Mann hatte inzwischen die Autotüren g eöffnet und half den Frauen beim Aussteigen.
„Unser Butler Jeff Parker“, stellte ihn John vor und schlug dem Mann leutselig auf die Schulter.
Silvia stieg mit ihren Verwandten die Stufen der breiten Treppe zum Hauptportal des Schlosses hinauf. Über ihm hing das Wappen der Harleighs.
In den weit geöffneten Flügeltüren standen drei Frauen. Die älteste von ihnen, eine mollige Person, trug eine schwarze Bluse und einen langen schwa rzen Rock mit einer breiten weißen Schürze. Die anderen beiden waren blutjunge Mädchen mit langen Zöpfen. Die Frauen wurden Silvia als die Köchin Ellen und die Hausmädchen Evelyn und Mary vorgestellt. Eve - wie sie genannt wurde - machte einen schüchternen Eindruck. Marys Gesicht dagegen strahlte nur mühsam unterdrückte Lebensfreude aus.
Während sie an den Angestellten vorbeigingen und eine hohe, große Halle betraten, erklärte Elis abeth ihrer Nichte auf Deutsch: „Die Mädchen stammen aus dem Dorf da unten und sind noch nie von hier fortgekommen. Ellen dagegen ist nicht nur eine perfekte Köchin, sondern spricht auch sehr gut Deutsch, da sie mit einem Deutschen verheiratet war. Sie kam später als Witwe in ihr Heimatdorf zurück und wurde uns vom Pfarrer als Köchin empfohlen.“ Lächelnd setzte sie hinzu: „Wenn dich unsere Geister interessieren, musst du dich an Ellen wenden. Sie kennt alle Legenden der Familie Harleigh.“
Mit Interesse betrachtete Silvia die Halle. O bwohl an den Wänden uralte Jagdtrophäen hingen und in den Ecken mehrere Ritterrüstungen standen, war die Halle mit modernen Möbeln ausgestattet worden. John, der Silvias Erstaunen bemerkte, sagte: „Wir haben die meisten Zimmer renovieren und neu einrichten lassen. Nur das Hintergebäude mit den beiden Türmen ist noch im alten Zustand und...“
Elisabeth unterbrach ihn: „Lassen wir die Erkl ärungen vorläufig. Pam soll Silvi erst einmal ihre Zimmer zeigen, damit sie sich noch vor dem Essen frisch machen kann.“
Gefolgt von den beiden Mädchen, die Silvias Koffer trugen, stieg Pamela mit ihrer Kusine eine breite Treppe hinauf, die auf einer Galerie im e rsten Stock endete. Nun befanden sie sich auf einem um das gesamte Stockwerk führenden Gang, von dem kleine Fenster auf einen engen Innenhof zeigten. Gegenüber von ihnen lagen die Türen der einzelnen Gemächer. Zwischen den Türen und Fenstern hingen Gemälde, die teilweise bis zur Unkenntlichkeit nachgedunkelt waren.
„Hier hast du die mehr oder minder ehrwürdigen Lords und Ladies von Harleigh Castle“, sagte P amela lachend mit einem spöttischen Knicks. „Alle Gänge des Schlosses sind voll von ihnen.“
Während sie die nächste Treppe hinaufstiegen, erklärte Pamela: „Im ersten Stock befinden sich nur die Gesellschaftsräume.“ Sie deutete auf die rechte Seite des zweiten Ganges hinunter: „Dort liegen die Schlafräume meiner Eltern.“ Dann zog sie ihre K usine bis zum Ende des linken Ganges und riss eine Tür auf. „So, da wären wir! Sind die Zimmer nicht toll?“
Es waren zwei helle und freundliche Räume, mit modernen Möbeln und Gardinen versehen, und doch war Silvia etwas enttäuscht. Ihr wäre ein a ltertümliches Schlossmobiliar lieber gewesen. „Hübsch“, erwiderte sie etwas zögernd, „sehr hübsch.“ Und um Pamela nicht ihre Enttäuschung merken zu lassen, fragte sie ablenkend: „Wohin führt diese Tür?“
„Nur ins Bad. Ich muss jetzt gehen, sonst schimpft Mam, wenn ich mich nicht zum Abende ssen umgezogen habe. Eve kann dir beim Auspacken helfen.“
Als Silvia wenige Stunden später im Bett lag und noch einmal ihre heutigen Erlebnisse an sich vorüberziehen ließ, fiel ihr
Weitere Kostenlose Bücher