Sphaerenmusik
seinen Verwandten an, die ihn und John aufgenommen hatten. Zu ihrer grenzenlosen Bestürzung erfuhr sie, dass Lord Allan gleich nach Johns Abreise das Haus in Hast und Eile verlassen hatte, um nach Harleigh Castle zurüc kzukehren.
Elisabeths Augen wanderten zu Silvia, Charlo ttes Tochter. Als es nicht mehr zu verbergen war, dass Charlotte ein Kind erwartete, hatte sie die Schwester bestürmt, Allan zu schreiben, dass er Vater werden würde. Aber Charlottes Empfinden war schwer verletzt, sie fühlte sich zu sehr gedemütigt. Sie weigerte sich nicht nur, Allan diese Mitteilung zu machen, sondern Elisabeth musste ihr sogar fest versprechen, keinem Menschen - auch nicht den Eltern oder John - zu verraten, wer der Vater ihres Kindes war.
Als Charlotte an einer Grippe starb, war Silvia zwei Jahre alt gewesen. Das Kind Silvia wurde bei Verwandten ihrer Mutter untergebracht und von ihnen adoptiert. Und Elisabeth hatte keinen Anlass gesehen, nun noch das Geheimnis um Silvias Vater zu lüften. Erst vor drei Jahren sprach sie aus einer redseligen Stimmung heraus mit ihrem Mann da rüber, der es für seine Pflicht hielt, seinen Vetter Allan zu informieren.
Trotzdem war John im Testament des Versto rbenen als Erbe eingesetzt worden. Elisabeth erinnerte sich noch genau an den Wortlaut: ...Da ich keinen männlichen Erben hinterlasse, setze ich als solchen meinen Vetter John MacKean ein, da nur er in der Lage ist, das Stammschloss unseres alten Geschlechtes in neuem Glanze erstehen zu lassen...
Das Testament war kurz vor Allans Tod g eschrieben worden. Für seine ihm unbekannte Tochter hatte er einen Nachsatz hinzugefügt: ...Meine Tochter Silvia erhält lebenslanges Wohnrecht auf Castle Harleigh. Falls der Familienschmuck noch gefunden werden sollte, geht dieser in ihr Eigentum über...
Unwillkürlich stahl sich ein amüsiertes Lächeln um Elisabeths Mund. Armer Allan, dachte sie, wenn du deiner Tochter nichts weiter zu vererben hattest, als einen imaginären Ge isterschmuck!
Allerdings hatte der Anwalt noch einen Brief für Silvia in Händen, der ihr nach ihrem achtzehnten Geburtstag in Harleigh Castle ausgehändigt werden sollte.
Elisabeth konnte nicht anders, sie musste einfach Silvia danach fragen: „Silvi, mein Kind, hast du eigentlich einen großen Schreck bekommen, als man dir sagte, dass du die Tochter von Lord Allan bist?“
Silvia fuhr herum. „Ob ich einen...? Das schon, aber so schlimm war es nicht. Ich wusste schon seit meinem zwölften Geburtstag, dass ich adoptiert worden bin. Wenn ich das früher erfahren hätte, wer mein richtiger Vater ist, sicherlich hätte ich ihn dann gern kennen gelernt, aber sonst? Vielleicht wirst du mich für herzlos halten, aber ich habe nun einmal bis vor kurzem nichts von ihm gewusst. Wenn meine Adoptiveltern nicht so gut zu mir w ären, vielleicht...“ Sie zögerte, dann brach es mit Begeisterung aus ihr hervor: „Aber sie sind einfach phantastisch! Glaub mir das, Tante Lissy!“
Elisabeth lächelte. „Ich glaub dir das gern, Si lvi.“
Jetzt fuhren sie durch ein kleines Dorf - man sah den Häusern die Armut der Bewohner an -, danach führte der Weg höher und höher zu einer großen Lichtung, die von einer verwitterten Mauer umg eben wurde.
* * *
John stieg aus und öffnete das schwere, schmiedeeiserne Tor. Gleich darauf fuhren sie zwischen zwei kleinen Häusern hindurch.
„Die ehemaligen Wach- und Gesindehäuser“, erklärte John. „Sie waren halb verfallen. Ich habe sie für die Angestellten renovieren lassen. Ich wollte unsere Leute im Hintergebäude des Schlo sses unterbringen, aber nein, sie sträubten sich dagegen und erklärten, dass sie keiner zwingen könne, auch nur eine Nacht im Schloss zu verbringen. Nun, Silvi, durch unsere vorlaute Tochter weißt du ja schon, warum. Glaube mir, wir sind hier wirklich noch keinem Gespenst begegnet.“
„Das kann ja lustig werden!“, rief Silvia bege istert.
Pamela pflichtete ihr bei. „Fein, dass du jetzt hier bist, Silvi, dann können wir zusammen auf Gespenste rjagd gehen.“
Aber Silvi hörte nicht mehr auf ihre Kusine, sie starrte nur auf das Schloss, das vor ihnen ang etaucht war. Sie stieß einen Schrei des Entzückens aus.
Am Ende des Weges erhob es sich, ein zwe istöckiges, viereckiges Gebäude, verwittert und altersgrau, an den Seiten flankiert von vier Türmen, die es um ein Stockwerk überragten. Es hätte vielleicht in der hereinbrechenden Abenddämmerung unheimlich gewirkt, wenn nicht die
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