Sphaerenmusik
verhindert dann unsere Unternehmung auf jeden Fall. Du willst bestimmt nicht so kurz vor dem Ziel aufgeben, oder?“
Silvia hatte noch immer starke Bedenken, vor allem, weil sie sich für Pamela verantwortlich fühlte. Schlie ßlich gab sie nach.
Mit Taschenlampen bewaffnet stiegen die Mä dchen durch die Öffnung. Auf einer steilen Treppe gelangten sie nach unten in einen schmalen Gang. Nach einer kurzen Strecke führte sie eine Treppe steil nach oben.
„Wo mögen wir uns befinden?“, fragte Si lvia.
„Ich nehme an, im Felsen, der hinter dem Schloss aufsteigt“, antwortete Pamela.
Wieder öffnete sich ein Gang vor ihnen. Er besaß rechts zwei eichene Türen, wovon eine offen stand. Die Mädchen richteten ihre Taschenlampen in die kleine Höhle, die höchstens zwei Meter hoch und breit war. Bis auf einen Haufen verfaultes Stroh war sie vollkommen leer.
Silvia und Pamela gingen zu der verriegelten Tür. Nachdem sie den schweren Riegel beiseite gedrückt hatten und die Tür öffneten, schlug ihnen eine solch dicke Moderluft entgegen, dass es ihnen fast den Atem raubte.
Diese Höhle war größer und höher als die erste und besaß in der Felswand eine Spalte, die wohl von Menschenhand vergrößert worden war. Spärliches Tageslicht sickerte hindurch. Unter ihr befand sich ein Tisch mit einem Stuhl.
Vorsichtig gingen Pamela und Silvia in die Höhle hinein. Auf dem Tisch lag ein Buch, dan eben standen ein Leuchter mit einer abgebrannten Kerze, ein Tintenfass mit vertrocknetem Inhalt und einem Federkiel. In der einen Ecke befand sich eine winzige Kommode mit einem blinden Spiegel, einer Waschschüssel und einem zerbrochenen Krug. Alles war mit einer dicken Staubschicht bedeckt. In der Ecke links neben der Tür hing ein zerschlissener Vorhang, der etwas offen stand und einen verrosteten Eimer halb verdeckte.
Pamela wandte sich zur anderen Seite und schrie entsetzt auf. Silvia drehte sich erschrocken zu ihr um und erstarrte:
Auf schimmligem Stroh und verrotteten Decken lag ein verkrümmtes Skelett. Vermoderte Stofffetzen, die keine Farbe mehr erkennen ließen, bedeckten es nur noch stellenweise. Um den Knochenhals hing eine goldene Kette mit einem Kreuz, das in der Mitte einen Rubin trug.
Silvia erkannte die Kette sofort. Vor ihren A ugen tauchte ein schönes junges Mädchen in einem weißen Kleid auf, dem die Kette schmeichelnd um den schlanken Hals lag.
„Daphne Harleigh“, flüsterte sie. „Welch furch tbares Ende!“
Sie verbarg schaudernd ihr Gesicht in den Hä nden, während Pamela vor sich hin weinte.
In ihrer Erschütterung bemerkten sie nicht die vermummte Gestalt, die in der Tür au ftauchte.
Erst als die Tür donnernd zuflog, schraken sie auf. Sie wollten sich noch der Tür entgegenste mmen, doch es war zu spät, knirschend wurde der Riegel vorgeschoben. Sie schrieen und hämmerten gegen die Tür, aber nur ein schauerliches Gelächter antwortete ihnen.
* * *
Die beiden jungen Mädchen waren heiser vom Schreien, ihre Hände blutig vom Schlagen gegen die harte Eichentür. Endlich rasselte etwas an der Tür, eine Klappe fiel in Augenhöhe herunter.
Entsetzt wichen Pamela und Silvia zurück. Ein Lichtstrahl erschien in der Öffnung und blieb an den beiden Mädchen hängen. Angestrengt ve rsuchte Silvia hinter dem Licht etwas zu erkennen, doch es war vergeblich.
„Wer sind Sie?“, rief sie. „Was wollen Sie von uns?“
„Den Schmuck!“, klang es scharf zurück.
„Den Schmuck? Den haben wir nicht!“
Ein hämisches Lachen kam von der Tür her. „Genug mit dem Versteckspiel! Ich weiß genau, dass die Kette, die du gestern getragen hast, zu dem Schatz gehört, den ich dir selbst am Wildbach abgenommen habe.“
Er war es also, der Würger!
„Warum wollten Sie mich dabei gleich umbringen?“, fragte Silvia entsetzt.
„Ich wollte, ich wäre dabei nicht gestört worden. Dann wäre ich schon längst mit dem Schatz über alle Berge. Du hast mir von Anfang an ständig d azwischengepfuscht. Es fing schon damit an, dass Lord Allan dir den Schmuck vermachte, obwohl du nur ein Bastard der Harleighs bist.“
Hasserfüllt schwieg die Stimme.
Voller Angst hatte ihr Silvia gelauscht. Immer bekannter kam ihr die Stimme vor. Doch obwohl sie ahnte, wer hinter der Tür stand, wollte sie es noch immer nicht wahrhaben.
„Schon in jungen Jahren“, fuhr die Stimme fort, „träumte ich von dem Schatz der Harleighs. Aber nie hatte ich Gelegenheit, ungestört nach ihm zu suchen, obwohl mir die
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