Sphaerenmusik
Lage des Fluchtganges durch das Lesen der Familienchronik bekannt war. Daher suchte ich vom Bach aus die Höhle und ze rtrümmerte die Mauer, so dass ich nun jederzeit ohne Allans Wissen Gang und Schloss betreten konnte.“
Er lachte höhnisch.
„Als die neuen Herren hier einzogen, riss ich die betreffenden Seiten aus der Chronik heraus, damit sie nicht in der Lage waren, mich bei der Schatzsuche zu stören. Aber meine Suche war vergeblich. Meine Hoffnung setzte ich daher auf den zweiten Geheimgang, nur gelang es mir nicht, diesen zu finden.
Als Anwalt Lacy dir den Brief deines Vaters mit der Zeichnung übergab, nahm ich an, dass diese auch über den zweiten Gang Aufschluss gab. Aber in deinem Zimmer fand ich die Zeichnung nicht: Ich hatte dich unterschätzt.“
Das harte Lachen ertönte erneut.
„In vielem! Denn du bist einfach dahergeko mmen und hast auf Anhieb den Schatz gefunden, wonach ich und Generationen davor vergeblich gesucht haben. Und dann spieltest du weiterhin die Ahnungslose, obgleich du mich am Waldbach erkannt haben musstest, denn nur du kannst mir den Schmuck aus meinem Koffer gestohlen haben. Wie wärst du sonst wieder in den Besitz der Kette und des Armbandes gelangt? Wo hast du den übrigen Schmuck versteckt? In deinen Zimmern konnte ich ihn nicht finden.“
Silvia war es, als verlöre sie den Boden unter den Füßen. Sie hielt sich krampfhaft am Tisch fest. Also doch Mike, dachte sie! Mike, dem Onkel John in allem so vertraut hatte!
„Du irrst dich, Mike“, verteidigte sie sich, „das Armband fand ich am Wildbachufer und die Kette auf meinem Bett.“
„Wohl vom großen Unbekannten?“, höhnte M ike. „Erzähl mir keine Märchen! Sag mir, wo der Schmuck ist, und ich lasse euch frei bei meiner Ehre!“
Jetzt übermannte Silvia die Wut. Sie wusste, dass es in ihrer Lage unklug war, ja, sie vergaß in diesem Augenblick sogar Pamela. Aber sie konnte sich nicht länger beherrschen und so schrie sie: „Seit wann hat ein Mörder Ehre? Du hast meinen Vater ermordet und beinahe auch Onkel John und mich!“
Eine unheilvolle Stille breitete sich aus. Es war, als wenn die Zeit stehen bleiben würde.
Dann stieß Mike ein raues Gelächter aus. „Du weißt tatsächlich alles! Du bist wirklich ein kluges Kind. Der gute Vetter Allan war mir im Wege bei meiner Schatzsuche, da er diese selbst noch nicht aufgegeben hatte. Außerdem hielt ich mich für den nachfolgenden Erben des Schlosses. Als solcher hätte ich ungestört nach dem Schatz suchen kö nnen. Doch da taucht ein Amerikaner aus dem Nichts auf und beansprucht die Erbschaft. Und nicht genug damit, der Ausländer, den das alles hier nichts angeht, will mir sogar noch den Ausgang verschließen, meine beste Möglichkeit, auch dann ungesehen ins Schloss zu kommen, wenn ich offiziell nicht anwesend bin. Ich musste schnell handeln, bevor John die Möglichkeit hatte, die Maurer kommen zu lassen.“
Ein Wimmern drang an Silvias Ohr. Sie wandte sich um. Pamela hatte sich hinter ihr in die Ecke gekauert und zitterte am ganzen Körper.
Flehend blickte Silvia wieder zur Tür. „Lass wenigstens das Kind frei“, bat sie.
„Nein“, klang es hart zurück, „ihr wisst zuviel! Ich kann mir die Chance, unnötige Mitwisser zu beseitigen, nicht entgehen lassen. Hier wird ni emand eure Schreie hören und niemand euch finden. Wenn du mir allerdings sagst, wo du den Schmuck versteckt hast, werde ich euch den Tod leicht machen. Sagst du es mir aber nicht, dann“, Mikes Stimme dröhnte durch das Gefängnis, „dann ergeht es euch wie Daphne Harleigh! Ich komme um Mitternacht wieder. Bis dahin hast du genug Zeit zum Überlegen.“
Die Klappe fiel herunter, die Schritte verloren sich im Gang.
Silvia wankte, dann sank sie aufschluchzend neben Pamela in die Knie. Sie nahm die Dreizehnjährige in die Arme und drückte sie heftig an sich. Sie machte sich die heftigsten Vorwürfe, auch Pamela mit hineingezogen zu haben, denn sie wusste, es gab keinen Ausweg mehr. Niemals würde ihr Mike glauben, dass sie den Schatz nicht hatte. Sie brauchte nur in die Ecke zu sehen, wo Daphnes Überreste ruhten, um ihr eigenes und Pamelas Ende voraus schauen zu können.
Während ihr die Tränen über die Wangen ra nnen, dachte sie an ihren geliebten Peter, den sie nun nie wiedersehen würde.
Langsam versickerte die Zeit. Kein Tageslicht schimmerte mehr durch den Spalt. Im Gefängnis herrschte eine unheimliche Stille.
Plötzlich schrak Silvia hoch. Verwundert stellte sie
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