Sphaerenmusik
fest, dass sie eingeschlafen war. Ihre Glieder waren klamm von der Kälte des Felsenbodens. Ihr linker Arm, auf dem Pamelas Kopf Pamelas, war gefühllos. Sie zog ihn vorsichtig hervor und versuchte, ihn wieder bewegungsfähig zu machen.
Dann richtete sie sich auf und suchte auf dem Tisch nach einer der Taschenlampen, die sie abg eschaltet hatten, um die Batterie zu schonen. Sie knipste sie an und richtete den Strahl auf Pamela. Diese lag ausgestreckt auf dem Boden und starrte sie mit fiebrigen Augen an.
„Hoffentlich hast du etwas geschlafen, Lie bling“, sagte Silvia mitleidig.
„Ich glaube“, murmelte Pamela. „Oh, Silvi, kommen wir denn nie wieder hier heraus? Ich fürchte mich grenzenlos in dieser Dunkelheit - und vor dem Skelett da drüben.“
„Vor Toten brauchst du dich nicht zu fürchten“, sagte Silvia bitter, „nur vor den Lebenden.“
„Ob er uns wirklich töten wird?“, fragte Pamela. Wieder zitterte sie am ganzen Körper.
„Ach, sicher hat er uns nur einen Schrecken einjagen wollen“, versuchte Silvia, ihre Kusine zu beschwichtigen.
Sie sah auf ihre Armbanduhr. „Noch eine halbe Stunde bis Mitternacht“, sagte sie so forsch wie möglich, „bald sind wir erlöst und werden oben in unseren Schlafzimmern denken, wir hätten alles nur geträumt.“
„Glaubst du das wirklich?“, fragte Pamela hoffnungsvoll. „Ich habe auch solchen Hunger. Ich glaube, ich werde nachher die ganze Speisekammer leer essen.“
Silvia versuchte zu lächeln. „Ich auch! Was denkst du, wie mir der Magen knurrt? Seit dem Vormittag haben wir ja nichts mehr zu uns g enommen.“
Die junge Frau zog ihre Kusine hoch. „Du bist ganz kalt, und wir haben nicht einmal Decken.“ Sie begann, Pamela warm zureiben.
Jäh hielt sie in ihrer Beschäftigung inne. Sie hatten keine Schritte gehört, aber laut schnappte der Riegel zurück, eine Laterne tauchte auf und dahinter erschien eine Gestalt, gehüllt in einen dunkeln Umhang, einen Schlapphut auf dem Kopf, das Gesicht mit einem Tuch verhüllt.
Entsetzt schrie Pamela auf, doch da presste sich schon die Hand des Unbekannten auf ihren Mund.
„Still!“, zischte er. „Wir müssen schnell von hier weg, ehe er kommt.“
Er wollte Pamela mit sich zerren, doch das Mädchen wehrte sich.
„Aber Pam!“, flüsterte Silvia, die sich vor Freude nicht fassen konnte, als sie die ihr vertraute Erscheinung des Phantomgeigers wiedersah. „Du brauchst keine Angst vor ihm zu haben, denn er hat mir schon einmal geholfen.“
Sie zog Pamela aus dem Gefängnis und schob, nachdem sie alle drei draußen waren, rein mech anisch den Riegel wieder vor die Tür.
Sie waren noch nicht weit gekommen, als aus ihrer Fluchtrichtung Schritte zu hören waren. A brupt blieb der Fremde stehen.
„So ein Pech“, flüsterte er. „Er kommt!“
Er drängte die beiden Mädchen zurück und durch die offene Tür des anderen Verlieses. „Versteckt euch dahinter“, befahl er, „und keinen Laut!“
Kaum hatte er die Laterne gelöscht, verschmolz er mit der Dunkelheit.
Die näher kommenden Schritte hallten durch den Gang, ein Lichtschein huschte an den Wänden entlang. Die Schritte machten vor der verschlossenen Tür halt. Die drei Versteckten hörten die Türklappe fallen und dann Mikes Stimme: „Na, ihr Täubchen, seid ihr endlich zahm geworden? Wo ist der Schmuck.“
Stille, dann ein hässliches Lachen.
„Das Schweigen nützt euch gar nichts! Ihr seid hier wie in einer Mausefalle.“
Er schien mit seiner Lampe den ganzen Raum abz uleuchten.
„Was soll der Blödsinn?“, schrie er dann. „Ihr könnt nur hinter dem Vorhang stecken. Kommt endlich he rvor!“
Wieder Schweigen, dann sagte er drohend: „Ich lasse mich nicht von euch an der Nase herumfü hren. Ich komme herein. Macht ja keine Dummheiten! Ich habe einen Revolver in der Hand.“
Der Riegel rasselte, die Tür wurde aufgerissen. Ein Geräusch folgte, als wenn Stoff zerreißen wü rde, und dann war ein lauter Fluch zuhören.
Entsetzt hatten die Mädchen auf die Geräusche gelauscht. Sie zitterten beide wie Espenlaub. Doch noch ehe sie einen Gedanken fassen konnten, schnellte etwas an ihnen vorbei, warf die benac hbarte Tür zu und schob den Riegel vor.
Ein wütender Schrei ertönte, dann folgten heft ige Schläge gegen die Tür, schließlich schlugen Kugeln in das harte Holz ein. Voller Angst schrien die Mädchen auf.
„Aber meine Damen“, sagte neben ihnen der Unbekannte, „jetzt braucht ihr keine Angst mehr zu haben.“
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