SPIEGEL E-Book: Deutschland, Deine Reichen: Wer sind sie - und warum so viele? (German Edition)
„Normalbürgern“ in Grenzen halten darf, kann der persönliche Misserfolg einzelner Erben doch auch wieder die Gesellschaft als Ganzes treffen:
Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz zum Beispiel verlor in den vergangenen Jahren mit falschen Freunden und Entscheidungen Milliarden, zugleich zerfiel ein komplettes Handels-Imperium. Und als der gelernte Metzgermeister Anton Schlecker Insolvenz anmelden musste, bedeutete das für tausende von Verkäuferinnen im ganzen Land, dass sie ihren Job verloren. Anton Schlecker äußerte sich dazu übrigens öffentlich nie. Ins Blitzlichtgewitter schickte er seine völlig überforderte Tochter Meike, die dann mit wächsernem Gesicht das Ende verkünden musste.
Es sind solche Szenen, die einem im Gedächtnis bleiben. Es sind solche Momentaufnahmen, die unser Bild von Reichtum bestimmen –und zugleich die Realität verzerren: zum Beispiel die zum Victory-Zeichen gespreizten Finger des damaligen Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann. Die Steuerrazzia beim früheren Deutsche-Post-Chef Klaus Zumwinkel. Übrigens auch das von RTL II inszenierte Proll-Gehabe der „Geissens“.
Das öffentliche Bild von Reichtum wird von Karikaturen dominiert: den besonders wohltätigen, bösen oder wenigstens protzenden Exemplaren der finanziellen Oberschicht. Exemplarisch ist keiner dieser Typen. Die Wahrheit ist unspektakulärer, zumal man in Deutschland schon mit einem Brutto-Jahresgehalt von gut 120 000 Euro zum obersten einen Prozent der hiesigen Einkommens-Pyramide zählt. Und auch das zeigten unsere Recherchen: Die wenigsten in diesem Segment fühlen sich reich.
Immerhin: Selbst als Angestellter kann man es heute zu Millionen bringen. Die Top-Manager vieler Unternehmen werden heute – im Vergleich zu ihrer Belegschaft – deutlich besser bezahlt als noch vor zehn Jahren. Warum eigentlich? Auch auf diese Fragen finden Sie in den nächsten Kapiteln Antworten.
Diese Ungleichgewichte schüren zugleich die Unzufriedenheit, auch wenn es in Deutschland wohl so schnell nicht zu Umverteilungs-Protesten und Straßenschlachten kommen wird wie in den Pariser Vorstädten oder den Armenvierteln Londons. Wie sehen die Reichen der Republik selbst die Entwicklung?
Es dauerte etliche Monate, bis wir genug Stoff und Stimmen beisammen hatten für diesen Report. Es war nicht einfach, Vertrauen zu schaffen. Am Ende hatten wir dennoch mit vielen Spitzenverdienern gesprochen –Unternehmern wie Arend Oetker oder Michael Otto, Managern wie Deutsche-Telekom-Chef René Obermann oder Gerhard Cromme und Erben wie Marie-Christine Ostermann. Aber auch mit Politikern, Soziologen, Wirtschaftsforschern, ja sogar Hausmädchen, Pastoren, Bodyguards…
Und, können wir Ihnen nun sagen, wie man am sichersten reich wird? Ein Vermögen zu erben, ist sicher der einfachste Weg. Es als Angestellter zu verdienen, dürfte die schwierigste Variante sein.
Das größte Problem ist heute, dass jeder qua Ausbildung wirklich die gleichen Einstiegsvoraussetzungen bekommen soll, etwas aus seinem Leben zu machen. Umso erstaunlicher ist dann doch, wie bunt zusammengewürfelt die Truppe der Spitzenverdiener in Deutschland heute ist.
Sportler wie Dirk Nowitzki, Sebastian Vettel oder Bastian Schweinsteiger gehören dazu. Künstler wie Andreas Gursky oder Gerhard Richter und „Künstler“ wie Mario Barth. TV-Stars wie Günther Jauch oder Stefan Raab.
Die digitalen Revolutionen der vergangenen Jahren haben nicht nur den amerikanischen Facebook-Gründer Mark Zuckerberg reich gemacht. Ralph Dommermuth wurde mit United Internet (GMX, web.de, 1&1) zum Milliardär. Die Brüder Oliver, Marc und Alexander Samwer haben in Firmen wie Jamba, StudiVZ oder Zalando investiert und sind richtig reich geworden.
In der Hoffnung, dass unsere Reise durch den Reichtum Sie selbst wenigstens an Erkenntnis ein bisschen reicher macht, wünsche ich Ihnen nun viel Spaß bei der Lektüre.
Thomas Tuma
VON MARKUS DETTMER,
KATRIN ELGER,
MARTIN U. MÜLLER
UND THOMAS TUMA
Im Reich der Reichen
Über Armut in Deutschland weiß man gut Bescheid. Aber wie lebt das oberste Prozent der deutschen Gesellschaft? Und wie schaut man dort auf die zunehmend kapitalismuskritischen 99 Prozent darunter? Eine Reise in die Welt des Geldes.
„Geld verändert die Persönlichkeit.“
CHARLOTTE ROCHE
Es war einmal ein Kerl wie eine Eiche. Der lebte hinter den sieben Bergen, also sogar südlich von Garmisch-Partenkirchen. Dort, im Schatten des Wetterstein-Massivs, laufen sich nicht
Weitere Kostenlose Bücher