SPIEGEL E-Book: Deutschland, Deine Reichen: Wer sind sie - und warum so viele? (German Edition)
einmal Fuchs und Hase zum Gute-Nacht-Sagen über den Weg, derart opulent und weitläufig ist die Natur.
So fangen Märchen an, in denen die Hauptakteure bekanntlich entweder bettelarm sind oder stinkreich. Dietmar Müller-Elmau kennt beide Zustände, glücklicherweise in der angenehmeren Abfolge.
Seine erste Frau schenkte ihm drei Kinder, die in finanziell arg überschaubaren Verhältnissen aufwachsen mussten. 1000 Mark pro Monat – mehr war mitunter nicht da während seiner Studentenzeit. Dann verdiente er plötzlich viele Millionen und bekam mit seiner zweiten Frau drei weitere Kinder, die nun im Fünf-Sterne-Superior-Luxus groß werden – beheizter Roof-Pool, 220 Angestellte und Familien-Porsche Cayenne auf dem knirschenden Kies vor Papas Hotel inklusive.
Welche seiner sechs Sprösslinge werden später auf die glücklichere, die unbeschwertere Kindheit zurückschauen? Die armen drei oder die reichen?
Dietmar Müller-Elmau sitzt in der Bar seines Schlosshotels. Der Kamin knistert. Die Dedon-Liegen auf der Terrasse verdunkeln sich, denn die Sonne verschwindet langsam hinter den Berggipfeln. Viele Stunden lang hat der 57-Jährige nun erzählt. Eine wilde Familiengeschichte voller Wahn und Hass und Suche nach Sinn. In dieser Geschichte werden bürgerliche Ideale ebenso missbraucht wie höhere Töchter, und gegen Ende geht fast alles in einer Feuersbrunst unter, wie man noch sehen wird. Aber jedes Mal wenn Müller-Elmau auf ein so schnödes Sujet wie Geld angesprochen wurde, schaute er, als hätte sein Gegenüber nicht alle Glocken im Turm.
Dabei ist deutscher Reichtum auf Schloss Elmau allgegenwärtig. Er füllt die Tiefgarage mit Geländewagen-Kolonnen von BMW bis Range Rover. Und er bevölkert die abendlichen Konzerte und Lesungen. Hier treten keine oberbayerischen Trachtengruppen auf, sondern Kulturgrößen wie Gidon Kremer oder Peter Sloterdijk. Diesen Luxus gibt es sogar gratis, nur der Rest hat seinen Preis. Aber selbst der Blufin-Thunfisch an Reismilch und Algensud als Vorspeise im sternengekrönten Kellerrestaurant ist wirklich jeden seiner 31 Euro wert.
Das Geld flaniert in Tweedsakko durch die Salons oder döst im 3000 Quadratmeter großen Spa, das Müller-Elmau selbst noch nie besucht hat aus schierer Angst, ihm könnte irgendein Detail doch nicht gefallen, so dass er alles wieder umbauen müsste. Das Geld in Schloss Elmau ist nicht laut, protzt selten, und eigentlich ist kaum ein anderer so geeignet, über deutschen Reichtum zu sprechen, wie der Herr über diese kleine, große Welt.
Einerseits, weil er selbst Multimillionär geworden ist. Andererseits, weil er heute mit seinem Hotel das Vermögen anderer Millionäre umschmeichelt.
Reichtum aber ist eine komische Sache in Deutschland, Komfort- und Tabuzone gleichermaßen. In der durchökonomisierten Gesellschaft ist Geld zwar der Maßstab für fast alles geworden, zugleich aber als Messlatte verdächtiger denn je.
Folglich will, wer wirklich Geld hat, selten darüber sprechen. Es gibt Millionäre in Deutschland, die derart inkognito leben, dass nicht einmal ihre Nachbarn in der Mietskaserne von ihrem Schicksal wissen. Manchen ist ihr Vermögen entweder peinlich, oder sie haben es satt, sich dafür zu rechtfertigen.
Wieder andere fürchten sich vor dem wachsenden Neid derer, die weniger haben, zu denen auch das Gros der Politiker, Soziologen und Medienleute gehört. Die Debatten über Verteilungsgerechtigkeit machen das nicht einfacher.
Denn seien wir ehrlich: Sobald hierzulande von Reichtum die Rede ist, fühlen sich viele Journalisten bemüßigt, ihn misstrauisch bis höhnisch einzubetten. Weil sie denken, sie seien das ihren Lesern schuldig. Weil es ja tatsächlich Abzocker, Neureichenkarikaturen und Unsympathen gibt. Und weil es ziemlich leicht geworden ist, auf Wohlhabenden herumzukloppen. Sie wehren sich kaum noch.
Es hatte schon etwas rührend Scheinheiliges, als kurz vor Weihnachten ein "Zeit"-Reporter – als obdachsuchender Josef verkleidet – mit einer Schauspielerinnen-Maria durch Kronberg im Taunus schlurchte. Ihr Ziel: im Feierabendrefugium der Frankfurter Hochfinanz knallhart zu dokumentieren, dass man ihnen dort nicht gleich den Gästeflügel freiräumt, wenn sie an den videoüberwachten Eingangstoren klingeln.
Der Erkenntniswert des Reports war begrenzt. Denn wie würden die Bewohner von sogenannten sozialen Brennpunkten wie Berlin-Marzahn oder München-Hasenbergl auf einen zerlumpten "Zeit"-Redakteur reagieren? Aber die
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