SPIEGEL E-Book: Deutschland, Deine Reichen: Wer sind sie - und warum so viele? (German Edition)
weder Spieler, noch pflege ich einen barocken Lebensstil. Und überschätzen Sie mein Vermögen bitte nicht!
Spät am Abend ist es wieder da, das Reich?-Ich?-Nee-Argument. Der Angestellte Obermann fühlt sich nicht reich. Aber es gibt doch Menschen, die ihr Vermögen nicht mehr kleinreden können.
Station 6
Die neuen Reichen einer neuen Zeit
Was stellt man in Montabaur mit einer Milliarde an? Wie verschiebt sich die Einstellung zum Geld – mit Geld? Und welche Hobbys sind dann erlaubt?
Ralph Dommermuth macht an diesem Wintertag eine selbst für seine finanziellen Verhältnisse unbezahlbare Erfahrung: Er wird über seinen Reichtum sprechen. Hat er noch nie gemacht. Er ist selbst gespannt, wie sich das anfühlt.
Der 48-Jährige aus Montabaur gibt generell selten Interviews, und wenn, dann geht es um sein Unternehmen United Internet, zu dem Marken wie web.de, GMX und 1&1 gehören. Aber heute will er mal versuchen, etwas zu erklären, vielleicht auch sich selbst. Wie er dahin kam, wo er heute ist. Sein Pressesprecher muss draußen bleiben.
Unternehmer war Dommermuth eigentlich immer – schon in der Handelsschule, als er es nebenbei mit einem Streusalzhandel schaffen wollte. Dummerweise stimmten damals weder Zeit noch Ort. Es war Sommer, und in Limburg schneite es sogar im Winter fast nie, so dass es dann doch noch eine Weile dauerte mit dem Reichtum. Genauer gesagt, bis er 31 war. Damals stiegen Risikokapitalfirmen bei ihm ein, Dommermuth verkaufte einen Anteil und hatte auf einen Schlag 14 Millionen Mark, die er einfach in die Tasche stecken konnte.
"Boah, dachte ich, jetzt bist du wirklich reich." In den gut sieben Jahren seit der Gründung seiner Firma hatte er fast jeden Samstag und Sonntag gearbeitet und sich nur einmal Urlaub gegönnt – zwischen Weihnachten und Neujahr. Das sei die andere Seite, die gern vergessen werde, wenn über Erfolg gesprochen wird.
Was machte er? Er arbeitete weiter. Es macht ihm immer noch Freude. Er tritt nicht groß auf, ist in keinem Verein aktiv und fühlt sich in seinem Heimatort Montabaur wohl. Einmal hat er seinen vier Vorständen versprochen, wenn die Firma 100 Millionen Mark Gewinn abwirft, werde er jedem einen Ferrari spendieren. Als es so weit war, rief Dommermuth den Händler in Mühlheim-Kärlich an, sagte: "Heute ist Ihr Glückstag", und bestellte fünf Ferraris statt des einen, den er für sich wollte.
In einer Ecke seines Büros hat er das Foto jenes Moments hängen, als das Quintett die Autos abholte. Er erzählt das ganz ruhig und ohne prahlend-raumgreifende Theatralik. Seine hohe Stirn, das weiche Gesicht, die langsamen Bewegungen – es gibt wahrscheinlich Leute, die Dommermuth unterschätzen, und man könnte die Geschichte mit den Ferraris natürlich auch sehr hämisch erzählen: wie da einer durchdreht angesichts des Geldes.
Aber wäre das die Wahrheit? Dommermuth findet, dass die Sache komplexer ist. "Das war eine tolle Zeit. Wir haben gemeinsam an unsere Chance geglaubt und alles gegeben. Als es dann so weit war, war ich froh und stolz."
Er hält sich weder für verschwenderisch noch für geizig. "Natürlich verschieben sich die Verhältnisse im Laufe der Jahre." Das Preis-Leistungs-Verhältnis muss stimmen. Bei allem. Er kauft seine Cola nicht an teuren Autobahnraststätten. Abends achtet er darauf, dass die Lichter in den Büros ausgeschaltet werden, und noch immer konnte er sich nicht aufraffen, die graue Auslegeware in seinem Büro zu wechseln. Ist doch noch gut.
Andererseits steuert er persönlich schon mal 28 Millionen Euro bei, um beim America's Cup das erste deutsche Boot zu starten – natürlich unter United-Internet-Flagge. Es war PR, aber Segeln ist zugleich Dommermuths einziges Hobby. Schon als junger Mann hatte er eine kleine Jolle. Mittlerweile besitzt er eine Segelyacht und lässt sich nach zwölf Jahren gerade in den Niederlanden ein neues "Boot" bauen, wie er das nennt.
2013 soll es fertig werden, 142 Fuß lang, etwa 43 Meter, und von einer sechsköpfigen Crew dann rund um die Uhr betreut. Es gibt weitaus gewaltigere, wobei selbst die größte deutsche im internationalen Vergleich ärmlich wirkt: Der Schraubenmilliardär Reinhold Würth hat sich vor gut drei Jahren die 85-Meter-Yacht "Vibrant Curiosity" gegönnt. Preis: rund hundert Millionen Dollar. Wenn Reiche einer in ihren Kreisen zurzeit besonders beliebten Leidenschaft frönen wie Segeln, Pferdezucht oder Kunstsammeln, ist Expertise wichtiger als das Geld an sich:
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