SPIEGEL E-Book: Deutschland, Deine Reichen: Wer sind sie - und warum so viele? (German Edition)
einfach halten.
VON MARTIN U. MÜLLER
Klassenziel Elite
Wie das Internat Louisenlund mit dem Geld vermögender Eltern versucht, eine ganz normale Schule zu sein
Ingeborg Prinzessin zu Schleswig-Holstein gönnt sich bisweilen einen Hauch von Häme, wenn sie mit ihrem BMW Cabrio das Kopfsteinpflaster erreicht. Einmal pro Woche fährt sie von Hamburg an die schleswig-holsteinische Schlei. "Nicht sehr sportwagenfreundlich", sagt sie und lächelt die Strapazen weg auf der letzten Etappe zum Internat Louisenlund, dessen Trägerstiftung sie anführt. Auf der Rumpelstrecke hätten es zumindest jene ihrer Schützlinge oder deren Eltern schwer, die mit dem tiefergelegten Porsche kommen.
Einerseits will sie eben nicht, dass die schon auf dem Parkplatz zeigen, was sie haben (und sie haben oft eine Menge). Andererseits ist sie auf das Wohlwollen der reichen Eltern durchaus angewiesen. Zwar schicken viele Vermögende ihre Kinder auch auf ganz normale staatliche Gymnasien. Zwar gibt es andere teure Privatschulen wie das fast paramilitärisch anmutende Salem am Bodensee oder das abgeschiedene Lyceum Alpinum im Schweizer Zuoz, wo das Schuljahr mit rund 70 000 Schweizer Franken zu Buche schlägt – ohne Extras wie etwa den Einzelzimmerzuschlag. Aber Louisenlund hat zumindest in Deutschland einen besonderen Ruf.
320 Schüler werden hier zurzeit von 58 Lehrern betreut. In den Klassen sitzen im Schnitt 14 Schüler. In der Freizeit wird gesegelt, Tennis und Hockey gespielt. Der Bildungsauftrag ist klar: die Elite von morgen werden. Luxus geht dennoch anders. Man wolle keine Schnöselschule sein, so der Internatsleiter Werner Esser, der vorher in Salem unterrichtete.
Die Mischung ist ihm wichtig. Manche der Schüler (mit ärmeren Eltern) haben Leistungsstipendien, andere kommen aus dem Umland, weil Louisenlund für sie auch einfach eine nahe liegende Schule ist. Ein Vorfahr der Prinzessin habe das Schloss einst aus schierem Mangel zur Bildungsstätte umfunktioniert: "Die ersten Schüler waren drei Brüder mit zwei Paar Schuhen", so ihre Gründungslegende.
Die Zweibettzimmer, in denen die Zöglinge zumeist leben, sind spartanisch geblieben, die Wäsche muss selbst gewaschen werden. "Eine Mutter sagte mal zu mir, dass ihr Kind ein solch bescheidenes Zimmer nicht gewohnt sei und darin nicht leben könne. Ich habe mit dem Schüler gesprochen, der das alles völlig in Ordnung fand", so Prinzessin Ingeborg. "Das Problem haben oft eher die Eltern als die Kinder."
Auf großzügige Helfer ist die Schule dennoch angewiesen: "Das Internat macht unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten keinen Sinn", sagt die Prinzessin.
Einfach ist trotzdem manchmal besonders teuer: 30 000 Euro zahlen für Louisenlund jene, die sich das leisten können. Pro Schuljahr.
Von Thomas Tuma
Große Einsamkeit
Zwei Branchen bedienen den Reichtum: Die eine liefert die Spielzeuge, die andere verspricht deren Schutz.
Rund um Reichtum gibt es zwei Arten von Service-Industrie. Die eine liefert den Luxus; sie bestückt weltweit die Boutiquen und liefert Spielzeuge jeder Preislage: Die Birkin Bag von Hermès in Kalbsleder, das ein halbes Jahr in Erdlöchern und mit Baumrinde gegerbt wurde, kostet zwar nur einen fünfstelligen Betrag, aber man muss doch mitunter ähnlich lang drauf warten wie auf eine Lürssen-Yacht. Das Reetdachdomizil auf Sylt gibt es schneller, ebenso die Strandvilla in Palm Beach oder den 300-SL-Flügeltürer für die Mille Miglia.
Das Geschäft mit Luxusaccessoires ist eine rund 200-Milliarden-Dollar-Branche geworden und wächst weiter. Die andere, quasi die Schattenindustrie, operiert dagegen mit der Angst, diesen Luxus wieder zu verlieren. Sie lindert die Paranoia und provoziert sie zugleich, denn die Angst sitzt tief, und sie ist der Arbeitsplatz von Juristen, PR-Beratern, Ex-Polizisten, Vermögensverwaltern und Leuten wie Johanna Rothmann.
Bei der diskreten Firma Adato am Stadtrand von Hannover berät die 26-Jährige schwerreiche Mittelständler in der Erstellung von Bedrohungsanalysen. Anders als die Ackermanns oder Merkels sind Unternehmer, Erben und deren Familien meist auf sich gestellt, wenn es um Sicherheit geht.
"Wir begleiten unsere Kunden wie eine Art Supernanny", sagt Johanna Rothmann, die überall Gefahren sieht. Es kann eine linke Gruppierung sein oder eine osteuropäische Bande. Es kann um Erpressung gehen, Entführung oder einfach nur um das Finanzamt oder ein gebrochenes Herz. Das alles macht Wohlhabenden Angst.
Adato
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