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Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta Maier
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Wer war der Eine und wo war der Erste Gefallene? Wie ging es Eloi? Was hatte Shanny erlebt?
    Ich hatte so viele Fragen. Ich starrte auf Damontez’ dunkles Haar, seinen anmutigen und doch kriegerischen Gang, seine schmalen Hüften, sein fein geschwungenes Rückgrat. Und so viele Sehnsüchte.

26. Kapitel
    »Kennst du das Land zwischen Wachen und Schlafen,
den Ort, an dem deine Träume noch bei dir sind?
Dort werde ich dich auf ewig lieben,
dort werde ich auf dich warten.«
    AUS HOOK
    Als ich schlief, hatte ich einen Traum. Ich stand an dem Fenster von Damontez’ Schlafzimmer und sah in den dunklen Wald: uralte Bäume, deren Äste ineinander griffen wie verschränkte Finger, die sich nicht loslassen konnten.
    Die taghelle Gestalt stand zwischen zwei knochigen Eichen und blickte genau in meine Richtung. Sie war wie Nebel. Ihr ganzes Sein lag im Wind. Wie ein Atmen fuhr ihr Geist über das Sanctus Cor hinweg und blähte den Vorhang in meinem Rücken wie ein Fock. Es hätte mich ängstigen sollen, aber die Art, wie sie dort ausharrte, war mir vertraut. Ein Warten, ein Lauern. Vielleicht ein Sehnen.
    Dampf entstieg den Baumkronen, ein undurchsichtiger Brodem. Er war wie eine Armee.
    Wer bist du?
    Ich legte den Kopf schräg, spürte den Odem in meinen Lungen, als atmete ich das ganze Sein des Wesens in mich hinein. Es stach bis in die feinen Verästelungen meiner Bronchien.
    Ich blinzelte verwirrt, wachte am Fenster stehend auf, die Hände auf der Glasscheibe. Mein Atem hatte einen Handteller großen Fleck an die Scheibe gemalt. Ich lächelte und zeichnete zwei Ringe, die sich überlappten, hinein.

27. Kapitel
    »Du hast nichts zu erhoffen,
wenn du blind bist gegenüber jenem Lichte,
das nicht von den Dingen,
sondern vom Sinn der Dinge herrührt.«
    ANTOINE DE SAINT-EXUPERY, Die Stadt in der Wüste
    Damontez erlaubte mir in der nächsten Nacht, bei einem besonderen Training der Lichtträger zuzusehen. Es fand außerhalb des Sanctus Cor am See statt, und allein die Vorstellung, frische Luft zu atmen, kam mir vor wie ein Sechser im Lotto.
    Damontez stellte drei Vampire zu meinem persönlichen Schutz ab. Ein Mann und zwei Frauen. Eine davon war Ashlynn. Insgeheim glaubte ich, dass Damontez mir ein wenig Abwechslung verschaffen wollte, um mich von dem bevorstehenden Test abzulenken.
    Der Weg führte durch den Wald, es roch nach Tannen, Moos und regennasser Erde, die Luft war feucht und schwer, aber der Himmel mittlerweile klar und sternenübersät. Das Vollmondlicht fiel durch das Kronendach und auf seinen Strahlenbahnen glänzten die Regentropfen wie Perlen. Mit ausgestreckten Armen streifte ich die weichen Nadeln der Bäume, ließ das Wasser an meinen Fingern heruntertropfen und genoss das Gefühl der Freiheit.
    Als wir zwischen der letzten Baumreihe hervortraten, lag der Loch Lomond beinah zu unseren Füßen.
    Das Bild, das sich mir bot, war atemberaubend. Der See war so glatt, dass sich der Sternenhimmel auf der Oberfläche spiegelte. Hunderte von Lichtern schienen auf dem Wasser zu schwimmen und in der Mitte lag der Vollmond wie eine flache schimmernde Scheibe.
    Ich achtete erst gar nicht auf die Lichtträger, sondern ging Schritt für Schritt dem Ufer entgegen. Zu lange hatte ich die Freiheit und den Himmel entbehren müssen, jetzt überwältigte mich der Anblick einfach. Eine niedrige Felsenklippe trennte den See vom Land.
    Ich setzte mich auf die grauen Steine und wandte mich seitwärts, so dass ich sowohl die Lichtträger als auch den See im Blick hatte. Ashlynn und ihre Begleiter zogen sich ein wenig zurück und ließen mich in Ruhe. Die anderen bildeten Pärchen, um voneinander zu lernen. Shanny trainierte mit Noah. Ich wusste, dass es Noah war, weil seine Piercings im Mondlicht glänzten. Und ich erkannte Olivia an ihren roten Korkenzieherlocken und vermutete, dass der blonde Schönling an ihrer Seite Fernando war.
    Fasziniert glitt mein Blick über die vielen Lichtträger und ihre Zeichen, die ich mittlerweile ein bisschen besser zuordnen konnte. Ich entdeckte die Lichtträgerin, die mir das Illusionssiegel im Schlossgarten auf die Stirn gezeichnet hatte, bei Myra. Von Shanny wusste ich, dass sie Anne hieß. Sie löste den Diamantspeer von ihrem Taillengürtel und machte sich mit ein paar lockeren Aufwärmübungen kampfbereit. Wie alle anderen trug sie nachtschwarze Kleidung, lediglich der Waffengürtel war aus braunem Leder.
    Ich behielt Anne im Auge, gespannt auf ihre Kraft und auch darauf, wie Myra sich

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