Spiegelblut
konnte.
Nachtschattenherz ?
»Ahrg, hab ich das eben wirklich gesagt?«, brach Myra dann das Eis und lachte einfach der unangenehmen Stille ins Gesicht. Es klang wie eine fröhliche Mischung aus Wiehern und Hustenanfall.
»Du sagst doch immer, was du denkst!« Das war eine männliche Stimme, sie hörte sich sanft und melodisch an. Wer immer es war, er setzte sich mir mit einer Tasse in den Händen gegenüber und stellte sich vor: »Coco, ich bin Fernando. Meine Haare sind blond, meine Augen braun, ansonsten gibt es nichts weiter zu sagen, außer, dass ich unheimlich gut aussehe. Leider kannst du das nicht sehen, aber frag mal Myra, die ist schon seit einer Ewigkeit hinter mir her.«
»Eigentlich hasse ich ihn, weil er immer so angibt.« Myra lachte kurz auf. »Aber er ist wirklich süß, vor allem sein Hintern. Sein Siegel ist noch nicht einmal zu einem Viertel ausgebildet, aber trotzdem meint er, er könne mit Feuer speienden Drachen kämpfen, sinnbildlich natürlich nur. Feuer, das ist seine Sigille auf der Stirn. Vampire verabscheuen Feuer für gewöhnlich.«
Sigille?
»Sie weiß wahrscheinlich gar nicht, was Sigillen sind«, sagte jetzt wieder eine neue Stimme, und ich grinste gerührt auf die Tischplatte. Bitte, lass mich nicht anfangen zu weinen ! Damontez beobachtete mich von der Seite, überwachte meinen Blick. Vielleicht hatte er mich vorführen wollen, aber alles, was hier passierte, war, dass sie ihn vorführten.
»Ich bin der mit den vielen Piercings. Fünf in meinen Augenbrauen, zwei auf der rechten Wange, drei in der Lippe. Oh, ich hab den Ring durch die Nase vergessen, an dem mich Myra immer in die Schlacht zieht, wenn ich feige kneifen will.«
Myra hielt ihm seine Hand über den Tisch entgegen und er klatschte sie ab, so interpretierte ich das Geräusch zumindest. »Das ist Noah, unser kleiner, großer Rebell. Ein Anwärter auf die Raumkrümmung. Von denen gibt es kaum noch welche. Sie sind rar und wertvoll. Vor allem für Remo und sein seelenloses Pack!«
In dem Moment kamen Shanny und Olivia zurück und stapelten Berge von Köstlichkeiten direkt in meinem Blickfeld.
»Nimm dir, was du willst, Coco«, bot Shanny mir an und setzte sich neben Noah.
Ich griff zu einer Schüssel Porridge und bekam keine Sekunde später einen Löffel zugeschoben. Ich hätte mich so gerne bedankt, für ihre Freundlichkeit, für ihre Hilfe, für ihre gespielte Unbefangenheit. Ich ließ Myras Hand los, um nach dem Löffel zu greifen.
»Jetzt beobachtet sie doch nicht beim Essen!«, zeterte diese los und angelte sich ein Stück Kuchen von der Platte vor mir. »Sonst verkleckert sie noch alles und wir müssen hinterher saubermachen.«
Shanny lachte, aber es klang gezwungen fröhlich. Wie oft hatten sie schon ein Mädchen in Damontez’ Obhut erlebt? Nein, ich weine nicht! Ich löffelte meinen Haferbrei ungesüßt in mich hinein, dann nahm ich mir ebenfalls ein Stück Kuchen, Schokoladenkuchen mit Zuckerguss. Ich aß es in weniger als zwei Minuten auf und griff nach einem weiteren. Meine vorherige Mahlzeit hatte aus einem trockenen Baguette bestanden und schien Wochen zurückzuliegen. Damontez wachte immer noch mit Argusaugen über mich. Ich sah sein schwarzes Haar aus den Augenwinkeln. Er würde mir hoffentlich nicht meine Nahrung rationieren!
»Den hat Myra gebacken«, sagte Shanny leise. Ich hörte, wie sie etwas in ein Glas goss, das ich gleich darauf mit Orangensaft gefüllt in die Hand gedrückt bekam. Wann hatte man mich zum letzten Mal so umsorgt? Sie alle übernahmen die Aufgabe, die ich stets bei Finan geleistet hatte: Jeden Handgriff zu beschreiben, so dass er wusste, was geschah. Hastig trank ich ein paar Schlucke und lauschte dem Takt, den Noah mit seinen Fingern auf den Tisch trommelte; er trug mehrere Ringe, das konnte ich hören.
»Sigillen sind Siegel«, begann er plötzlich, »es ist das alte Wort dafür. Das Siegel auf der Stirn eines Lichtträgers entfaltet sich mit seinen Fähigkeiten. Jeder wählt zu Beginn seiner Lehrzeit das Talent, das zu ihm passt. Manche werden erwählt, andere finden es für sich. Lichtträger werden nicht als solche geboren. Es ist eine freie Entscheidung, allerdings gibt es eine familiäre Häufung und als Kind eines Lichtträgers hat man kaum eine Chance, etwas anderes zu tun.«
Meine Mundwinkel hoben sich leicht.
»Wir sind hier genau zwanzig Novizen«, sagte Myra neben mir. »Der Rest ist voll ausgebildet. Das sind die Lichtträger ersten Ranges.«
Ich wischte
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