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Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta Maier
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hatte genau gewusst, wo er sie fand. In Kirklee. Aber das hatte nicht Cocos Blut ihm verraten, sondern Kjells. Er selbst hatte Kjell während der Französischen Revolution zu einem Vampir gemacht, bedauerlicherweise. Dafür war es ihm jetzt möglich, ihn in einem Umkreis von mehreren Meilen zu wittern, und sein Blut derart in Wallung zu spüren, konnte nur eins bedeuten: Erstens, er jagte im falschen Revier – wenn man in der heutigen Zeit überhaupt noch von Reviergrenzen sprechen konnte –, zweitens, seine Beute war einzigartig. Und somit hatte er sofort gewusst, wen er erwischt hatte.
    Zum Glück war er rechtzeitig gekommen. Es gab diesen dämlichen Spruch, der leider mehr Wahrheit in sich barg, als ihm lieb war: Ein Mädchen in der Obhut eines Lamiis Angelus braucht einen Monat, um die Regeln zu lernen, in der Obhut eines Lamiis Nefarius einen Tag.
    Aber wem wollte er etwas vormachen? Er müsste eines Tages weit Schlimmeres tun als ein Nefarius mit seinem Blutmädchen.
    Was willst du eigentlich?
    Ich will, antwortete er sich selbst und war erstaunt über den neuen Gedanken, dass sie die Chance bekommt, sich zu verteidigen. Wenn sie ihre Kräfte erlangt, kann sie meine spiegeln und mich besiegen.
    Du unsterblicher Narr! Du kannst nicht besiegt werden. Sie kann dich verletzen, jedoch nicht bezwingen. Letztendlich wirst du ihr immer überlegen sein.
    Konnte man Unsterblichkeit spiegeln? Hätte sie jemals eine Chance gegen ihn? Bedeutete unsterblich zu sein, ewig zu leben oder niemals zu sterben? War es dasselbe? Und konnte er das Spiegelblut wirklich töten?

10. Kapitel
    »Nichts macht uns mehr Mut,
nichts gibt uns mehr Nähe,
nichts hat einen stärkeren Zauber
als eine sanfte Berührung.«
    JOCHEN MARISS
    »Du darfst heute mit den Lichtträger-Novizen frühstücken«, eröffnete mir Damontez, als ich frisch gewaschen, gebürstet und geföhnt aus dem Badezimmer trat.
    Ich hob den Blick und lächelte ihn zaghaft an. Das war mehr, als ich nach dem Test in der Nacht erwartet hatte.
    Er deutete mein Lächeln richtig und schüttelte nur den Kopf. »Ich komme mit, Coco-Marie!«
    Die kurze Freude über meine Freiheit zerbröselte wie trockenes Brot unter einer Schuhsohle. Ich sah auf die goldenen Paspeln des Teppichläufers. Lieber würde ich für alle Zeit alleine in meinem Verlies frühstücken, als einer Gruppe Lichtträger vorgeführt zu werden wie ein folgsames Hündchen. Je weiter wir gingen, desto kleiner wurden meine Schritte und desto größer wurde der Abstand zwischen mir und Damontez. Warum gehorchte ich überhaupt? Lag es an seiner schrecklichen Aura, die mir jedes Mal die Luft abschnürte, wenn er vor mir stand?
    Vor einem Raum, aus dem lebhaftes Geschwätz und Geschirrklappern ertönte, stoppte er und drehte sich zu mir um. »Das ist wesentlich mehr als ein Meter.«
    Ich sagte nichts.
    »Dieselben Regeln, keine Ausnahme.«
    Na klar, was denn sonst! Am liebsten hätte ich sein drakonisch-schönes Gesicht an der Wand zu Mus geschlagen! Dass er mir das zumuten wollte, grenzte an Folter. Jetzt gleich einen Raum mit Menschen zu betreten, die mir alle fremd waren, die nicht wussten, wer ich war, und mich nun so zum ersten Mal sahen …
    Ich schluckte gegen die Enge in meiner Kehle an, kämpfte gegen die unsichtbaren Gewichte an meinen Füßen. Es war so unfair. Ich griff nach den Säumen der Kapuze.
    »Nein.« Mehr sagte er nicht. Meine Hände sanken unverrichteter Dinge wieder nach unten, mein Ego lag ohnehin schon am Boden.
    »Weißt du, warum es nur einen einzigen Spiegel im Sanctus Cor gibt?«, fragte er mich plötzlich.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Man sagt, dass der Blick in den Spiegel die Kräfte eines Spiegelblutes schwächt.«
    »Aber ich bin kein …«
    »Habe ich dich aufgefordert zu sprechen?«, zischte er durch zusammengebissene Zähne.
    »Nein«, antwortete ich leise und sah vorsichtig auf.
    Er bedachte mich von oben aus der Dunkelheit seiner Schattenaugen. Sein Blick war so unheilvoll, dass ich schnell wieder auf meine Füße starrte. Ich kam nicht dazu, weiter über das nachzudenken, was er gesagt hatte, denn in dem Moment stieß er die Tür auf.
    Es war schlimmer als schlimm. Alle Gespräche verstummten schlagartig, als wir den Saal betraten, von dem ich zuerst die terrakottafarbenen Fliesen wahrnahm. Obwohl ich meinen Kopf wirklich unten hielt, sah ich aus den Augenwinkeln, dass sie mich mit offenen Mündern anstarrten. Ich vermied sofort jedes Schielen nach oben, stellte mir vor, ich

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