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Spiegelkind (German Edition)

Spiegelkind (German Edition)

Titel: Spiegelkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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gemacht, dass sie auf die Idee kommen würden, meine Geräte zu überprüfen. Aber das taten sie nicht. Ist ja auch klar, sie haben eigentlich keinen Grund zu denken, ich hätte irgendwas geknackt. Von meinem Zugang nach außen weiß ja keiner außer dir. Ich habe mir deswegen auch keine zu große Mühe gemacht, ihn zu verbergen.«
    Ich sah sie an. War das ihre Art, »Ich vertraue dir« zu sagen?
    »Das ist das Schöne an den Normalen«, sagte Ksü. »Sie tun so, als würden sie alles beherrschen wollen mit tausend Vorschriften. In Wirklichkeit wissen sie, dass andere Normale sowieso keine Regel freiwillig brechen würden. Deswegen kontrollieren sie untereinander nie etwas. Das nutzt unsereins natürlich gerne mal aus.«
    Ich musste sie fragen. Jetzt.
    »Was meinst du mit unsereins? Bist du nicht normal?«
    »Hör mal, gibt es keine anderen Wörter in deinem Wortschatz?« Ihre Stimme klang nicht gerade so, als wolle sie noch weiter über das Thema sprechen. Und ich war auch nicht so sicher, ob ich ihre Antwort hören wollte. Ob sie mir gefallen würde.
    Ksü drehte nachdenklich die Gabel in den Fingern. »Sicher ist nur, ich bin irgendwie aufgefallen. Ich hab keine Ahnung, wieso, bin ja noch nicht so lange da. Habe ich schon irgendwas ausgefressen und es nicht gemerkt?«
    »Abgesehen vom Hacken ins Netz? Ich glaube nicht.« Jetzt musste ich grinsen. »Ich bin dir in den letzten Tagen nicht von der Seite gewichen, du warst anständig und brav. Eine aufrechte Normale.«
    Ksü lachte schallend. »Du musst nicht gleich ausfallend werden.«
    »Weißt du, was«, sagte ich, »ich werde einfach im Sekretariat nachfragen.«
    »Was genau?« Wenn Ksü so kaute, hatte sie etwas von einem Kälbchen aus einem Zeichentrickfilm. Ihre Augen waren groß und dunkel und die Wimpern bogen sich nach außen.
    »Ich werde nachfragen, warum sie uns getrennt haben. Ich werde mich beschweren.«
    »Oh«, sagte Ksü. »Ja, in der Tat, warum nicht.«
    Ich wartete ungeduldig, bis sie den Hauptgang, Ente à l’orange, und die Panna cotta mit Erdbeersauce als Nachspeise verschlungen hatte. Dann stand ich auf. »Kommst du mit?«
    Ksü schnappte ihren schwarzen Rucksack und folgte mir.
    Das Sekretariat war im Nebengebäude, im zweiten Stock. Es war nicht ausgeschildert, aber ich wusste, wo es lag. Dabei war es fast drei Jahre her, dass ich es verzweifelt gesucht hatte. Damals war ich in meine Lerngruppe gekommen und hatte den Raum leer vorgefunden. Ich hatte überhaupt nicht gewusst, was ich tun sollte. Ich war rausgegangen und hatte erst mal zehn Minuten an der Wand im Flur gestanden, während fremde Lyzeisten und Lernbegleiter an mir vorbeirasten. Mir rollten die Tränen über die Wangen, aber keiner achtete auf mich. Schließlich war ich die Treppe runtergegangen, hatte die Telefonzelle gefunden, mich in die Schlange eingereiht und meine Mutter angerufen. Mama war empört gewesen, als sie mich heulen hörte, sie schimpfte auf die Schule und tröstete mich. Sie sagte, ich soll den erstbesten Lernbegleiter oder eine Pausenaufsicht am Ärmel packen und androhen, dass meine Eltern für jede meiner Tränen das Schulgeld kürzen würden. Im Nebensatz sagte meine Mutter: »Ich wusste doch, dass es eine bescheuerte Schule ist mit ihren billigen Tricks, die aus Kindern psychische Wracks machen will!«
    Meine Mutter hatte sich mit meinem Vater schon immer über Schulen gestritten. Sie hatte mich aus dem Betreuungscenter im Juniorland genommen und die Zwillinge erst gar nicht hingeschickt. Als ich in die Grundschule kam, drückte sie sich so oft um die Schulpflicht, wie es nur ging. Obwohl ich gesund gewesen war, ließ sie mich bei jedem Kratzer zu Hause, wie die Zwillinge später auch. Es waren schöne Tage mit ihr daheim, aber mein Vater machte mir bald ein schlechtes Gewissen, dass meine Ausbildung darunter leiden würde. In der fünften Klasse hatte mich meine Mutter zu Hause unterrichtet, angeblich weil meine Narben an den Schulterblättern zu sehr juckten und keine Uniform vertrugen. In der sechsten setzte sich dann mein Vater durch – ich kam auf das Lyzeum und auch die Zwillinge besuchten nun regelmäßig die Schule.
    Nachdem ich mit ihr an jenem blöden Tag vor drei Jahren telefoniert hatte, hatte ich mich plötzlich nicht mehr so unglücklich und verängstigt gefühlt. Ermutigt war ich zur Pausenaufsicht gegangen und hatte dort mein Problem – leerer Lernraum – geschildert. Und obwohl ich den Satz mit dem gekürzten Schulgeld dann doch nicht

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