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Spiegelschatten (German Edition)

Spiegelschatten (German Edition)

Titel: Spiegelschatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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schlapp?
    Die Tropfen, die Björn ihm aus der Apotheke geholt hatte, waren angeblich ein Zaubermittel. Hoffentlich. Sonst gab Maxim sich höchstens noch eine Stunde, bevor er wie ein ausgelaugter alter Marathonläufer zusammenbrechen würde.
    Im Wald war es angenehm kühl. Umso heftiger schien das Fieber in seinem Kopf zu wüten. Seine Augenlider wurden immer schwerer. In seinen Ohren begann es zu rauschen.
    Der weiche Boden unter seinen Füßen fühlte sich gut an. Hoch oben sang ein einsamer Vogel. In der Ferne bellte ein Hund, ab und zu knackte es im Unterholz.
    Maxim drehte sich nach jedem Geräusch um. Es kam ihm vor, als täte er das in Zeitlupe. Niemand würde Björn ein Haar krümmen. Niemand. Dafür würde er sorgen.
    Wenn nur erst seine Beine wieder kräftiger wären. Im Augenblick konnte ihn jeder Zehnjährige mit einem einzigen Tritt zu Fall bringen.
    Lass dich nicht hängen, beschwor Maxim sich selbst. Lass dich nicht hängen. Lass dich bloß nicht hängen.
    Neben ihm redete Björn ohne Unterlass. Maxim wusste nicht, worüber. Er hatte längst abgeschaltet. Er brauchte seine gesamte Aufmerksamkeit, um die Umgebung im Blick zu behalten.
    Dir wird nichts passieren, Liebster, das schwöre ich dir.
    » Und wie Romy mit ihm klarkommen soll, ist mir ein Rätsel, selbst wenn es nur ein paar Tage sein sollten. Ingo und sie, das ist wie Feuer und Wasser, verstehst du? Wie guter Cop und böser Cop. Ballade und Techno. Das passt nicht zusammen. Und eigentlich…«
    Fetzen dessen, was Björn erzählte, drangen zu Maxim durch– und lösten sich in Luft auf. Nichts war wichtig, nur eines:
    Sie mussten am Leben bleiben.
    » …denn das ist es, was ich nicht begreife. Ich meine, da bekommt sie diese Drohbriefe und ist nicht bereit, auf ihre gottverdammte Story zu verzichten. Begreifst du das? Also ich jedenfalls kapiere es nicht. Schau mal, wie viele Storys begegnen einem Journalisten im Lauf seines Lebens? Richtig gute, fette Storys. Drei, vier? Den meisten wahrscheinlich nicht mal eine. Romy hat ihre Story hinter sich. Sie wär fast dabei draufgegangen. Und jetzt kann sie auf die zweite nicht verzichten? Das ist doch krank. Sie weiß nicht, was sie sich damit…«
    Normalerweise redete Björn nicht so viel. Vielleicht forderte Maxim diesen Wasserfall an Worten mit seinem eigenen Schweigen heraus. Oder die Sätze waren so etwas wie das berühmte Pfeifen, wenn einer sich von seiner Angst ablenken will.
    Die Sonnenstrahlen fielen schräg von oben herab und standen wie zur Seite geneigte Leuchtsäulen zwischen den Baumstämmen.
    Atemberaubend schön, dachte Maxim.
    » …oder wie siehst du das?«
    Maxim wandte den Kopf und begegnete Björns abwartendem Blick.
    » Was ist los?«, fragte Björn erschrocken. » Du bist ja kreideweiß.«
    Ein Hustenanfall packte Maxim und enthob ihn einer Antwort. Sofort hielt Björn ihm besorgt ein Hustenbonbon hin. » Sollen wir nicht doch lieber umkehren?«, fragte er.
    Doch da schimmerte bereits eine Lichtung durch die Bäume und Maxim schüttelte den Kopf.
    Mit allem hätte er gerechnet, doch nicht damit, vor einem Friedhof zu stehen.
    Maxim erschauerte.
    Björn ließ seine Hand los und verschränkte schützend die Arme vor der Brust. » Ist das… ein böses Omen?«
    » Quatsch«, antwortete Maxim im Brustton der Überzeugung, obwohl er den Friedhof genau dafür hielt. » Ein Friedhof ist ein Friedhof.«
    Ein Ort der Toten.
    Und wenn man ihn hundertmal beschönigend Fried hof nannte.
    » Komm«, sagte er leichthin. » Wenn wir schon da sind, können wir ihn uns ruhig kurz ansehen.«
    » Nein.« Björn wehrte sich wie ein Kind, das bei einsetzender Dämmerung allein eine Unterführung durchqueren soll. » Ohne mich.«
    Maxim war froh, dass Björn sich weigerte. Er hatte den Vorschlag ohnehin nur gemacht, um seinen und Björns Ängsten keinen Nährboden zu geben. » Gut«, sagte er. » So interessant sind Friedhöfe ja nun auch wieder nicht.«
    Beim Rückweg ging jeder für sich allein, und keiner von ihnen hatte das Bedürfnis, sich zu unterhalten. Irgendwo in der Nähe keckerte ein Vogel, als wollte er sich über sie lustig machen.
    Recht hast du, dachte Maxim. Unser Verhalten ist lächerlich.
    Doch die Existenz des Friedhofs hatte ihn geschockt. Mehr, als er sich selbst eingestehen wollte.
    Sie waren nicht sicher.
    Der Mörder würde sie finden. Auch hier.

29
    Schmuddelbuch, Donnerstag, 10. März, Mittag
    Sitze im Alibi und denke über Ingos Vorschlag nach. Innerhalb kürzester Zeit

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