Spiegelschatten (German Edition)
Björns Füße. » Wieso hast du keine Schuhe an?«
» Pscht. Ich wollte nicht, dass er mich hört.«
Maxim hastete in die Küche und kam mit einem langen Messer zurück.
Björn starrte es an. » Du willst doch nicht…«
» Von wollen kann keine Rede sein«, sagte Maxim und eilte zur Treppe.
Björn hielt sich dicht hinter ihm. Sein Herzschlag geriet vor lauter Aufregung aus dem Takt. Er bekam kaum Luft.
Maxim war keine Angst anzumerken. Seine Schritte waren fest und sicher, seine Bewegungen geschmeidig. Er erschien Björn wie ein schönes, gefährliches Raubtier.
In der einen Hand hielt er das Messer, die andere hatte er auf den Handlauf des Geländers gelegt. Der silberne Ring, den Griet entworfen hatte, schimmerte im Dämmerlicht des Flurs. Maxim trug ihn noch immer, und jedes Glänzen, jedes Glitzern stachelte Björns Eifersucht an.
Gebunden, dachte Björn. Der Platz an seiner Hand ist nicht mehr frei.
Er fragte sich, wie, um alles in der Welt, er in einem solchen Moment den Wunsch verspüren konnte, Maxim würde den Ring ablegen.
Alles war ruhig. Nur Minettes Knurren war hinter der Tür des Arbeitszimmers zu hören.
» Bereit?«, flüsterte Maxim.
Björn nickte, dann schüttelte er den Kopf.
» Was jetzt?«
» Okay.« Für einen vollständigen Satz bekam Björn nicht genügend Spucke zusammen. Doch sogar das eine Wort bereute er augenblicklich. Entsetzt beobachtete er, wie Maxim nach dem langen Holzstiel in der Ecke griff und den Eisenhaken an seinem Ende in die Öse der Dachluke einhängte.
Als die Holzleiter mit viel Getöse herunterfuhr, blieb Björn beinah das Herz stehen. Vor ihm setzte Maxim den Fuß auf die erste Stufe. Björn folgte ihm mit halb geschlossenen Augen.
Der Dachboden war so gut wie leer. Ein paar Stühle standen gestapelt neben einigen Kisten. Staub tanzte in den Sonnenstrahlen, die durch ein Fenster an der rechten Giebelseite fielen. Gelbe Isolierwatte quoll zwischen den Holzsparren hervor.
Björn stockte der Atem, als er meinte, auf der linken Giebelseite zwei liegende menschliche Körper zu erkennen, die sich bei näherem Hinsehen jedoch als zusammengerollte Teppiche entpuppten.
» Nichts.« Maxim drehte sich mit ausgestreckten Armen um sich selbst. Die Messerklinge blitzte in seiner Hand. » Hier ist nichts. Absolut gar nichts.« Er machte sich nicht mehr die Mühe, die Stimme zu dämpfen, fühlte sich vollkommen sicher.
» Aber es war jemand hier oben. Minette hat ihn auch gehört. Sie hat mich vor lauter Angst gekratzt.«
» Sie hat dich gekratzt, weil sie eine neurotische Katze ist.«
» Eine traumatisierte. Das ist ein Unterschied.«
» Zeig mal her.« Erst jetzt schien Maxim das blutverschmierte Toilettenpapier, das Björn sich um die Hand gewickelt hatte, zu bemerken.
» Nicht jetzt…«
Langsam und vorsichtig schritt Björn über das knarrende Holz des Speichers. Es musste eine Erklärung geben, und er schwor sich, sie zu finden. Schließlich entdeckte er in einer Ecke ein Häuflein grauweißer Taubenfedern. » Maxim!«
Stirnrunzelnd blickte Maxim auf die Federn hinab. Einen Meter weiter ging er in die Hocke. » Kotspuren.«
Der feste, dunkle Kot war für eine Maus oder Ratte eindeutig zu groß geraten.
» Wir hatten mal einen Marder in der Garage…« Maxim stockte und wandte sich ab. Er sprach so gut wie nie über seine Familie. Oder seine Kindheit. Passierte es ihm doch einmal, redete er schnell darüber hinweg. » Ja«, sagte er. » Ich glaube, wir haben einen Marder als Mitbewohner.«
Erleichtert stiegen sie die Leiter wieder hinunter.
Hinter der Tür des Arbeitszimmers hörte Björn Minette leise knurren.
Immer noch?
Oder schon wieder?
Du liebe, dumme Katze, dachte er und nahm sich vor, gleich noch einmal nach ihr zu sehen. Doch zuvor musste er seine Hand verbinden, damit sie sich nicht entzündete.
» Ich leg mich wieder hin«, sagte Maxim, dessen Augen trüb vom Fieber waren.
Björn deckte ihn zu, dann machte er sich auf die Suche nach Verbandszeug. Immer noch schnürte ihm eine Angst, die er sich nicht erklären konnte, die Kehle zu.
*
Maxim träumte.
Er fürchtete sich vor diesem Traum, doch es gelang ihm nicht, sich dagegen zu wehren.
Wach auf, sagte er sich. Wach endlich auf und bring es hinter dich.
Er hatte keine Ahnung, was er hinter sich bringen sollte.
Als er die Gestalt auf sich zukommen sah, versuchte er zu fliehen. So schnell er jedoch auch rannte, der Abstand zu der Gestalt verringerte sich immer mehr.
Keuchend blieb er
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