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Spiegelschatten (German Edition)

Spiegelschatten (German Edition)

Titel: Spiegelschatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Libellen, dachte Björn, die beim Schlüpfen ihr hässliches Kleid am Stamm einer Wasserpflanze abstreifen und dort zurücklassen.
    Er sehnte den Frühling und die Sonne herbei, war schon lange wintermüde, obwohl er die kalten Monate eigentlich mochte.
    » Kennst du das«, fragte Maxim plötzlich, » dass man sich in einer fremden Umgebung befindet und das Gefühl hat, schon dort gewesen zu sein?«
    » Déjà-vu«, sagte Björn.
    » Nein.« Maxim schüttelte den Kopf. » Mehr als das. Ich schaue mich in diesem Garten um in der tiefen Gewissheit, oft und oft hier gewesen zu sein. Glaubst du an Wiedergeburt, Björn?«
    Noch nie hatten sie so viel Zeit miteinander verbracht. Noch nie hatten sie so viel miteinander geredet. Björn entdeckte Maxim ganz neu.
    Aufregend.
    » Ich bin mir nicht sicher«, antwortete er. » Ich glaube, die Vorstellung, in einem anderen Menschen wiedergeboren zu werden, macht mir Angst.«
    » Oder in einem Tier«, ergänzte Maxim. » Du kannst im nächsten Leben auch als Elefant zurückkommen, als Kellerassel oder als Regenwurm.«
    » Da entscheide ich mich lieber für den Elefanten.«
    » Typisch, bei deinem Hang zum Größenwahn.« Maxim knuffte ihn in die Seite. » Aber es fragt dich keiner nach deiner Meinung. Die Wiedergeburten muss man sich verdienen. Warst du in deinem vorigen Leben ein fauler Hund oder ein gemeiner Halsabschneider, dann wirst du in deinem nächsten dafür büßen müssen und kommst als unscheinbares oder abscheuerregendes Tier zurück.«
    » Hast du dich damit beschäftigt?«, fragte Björn überrascht.
    » Ein bisschen. Und dieser Garten ruft verdammt vertraute Gefühle in mir hervor.«
    » Kann von Fieber kommen.«
    Maxim ging nicht darauf ein. » Wetten, dass am Ende des Gartens ein Regenfass unter all dem toten Laub und Gestrüpp verborgen ist?«
    Er fasste Björn am Arm und zog ihn mit sich und tatsächlich standen sie auf einmal vor einem mit brüchigem Holz ummantelten Regenfass. Erst beim zweiten Blick entdeckten sie das kleine Gartenhaus, zu dem es gehörte. Es war von Efeu völlig umschlossen.
    » Was hab ich gesagt?«
    » In den meisten Gärten findest du ein Regenfass oder eine Regentonne.«
    Björn war sich sicher, dass Maxims Fieber stieg. Es wäre besser, er würde sich wieder hinlegen und schlafen. Doch daran war gar nicht zu denken. Maxim war schon über das kleine Gartentor geklettert, um in den dahintergelegenen Wald zu gelangen.
    Der würzige Duft, das von den hohen Bäumen gefilterte Licht und die Stille ließen bei Björn Erinnerungen wach werden. Die Eltern waren früher oft mit den Kindern in den Wald gegangen, einen Picknickkorb an der Hand und eine Decke unter dem Arm. Sie hatten sich einen schönen Platz auf einer Lichtung oder an einem Waldsee gesucht und den ganzen Tag dort verbracht.
    Romy und Björn hatten ihre Zwillingsspiele gespielt, sie hatten sich lachend im Laub gewälzt, geflüstert und gerufen. Es war gruselig gewesen, zu hören, wie die Stimmen im Schweigen des Waldes versickerten.
    Immer wieder waren die Geschwister von ihren kleinen Ausflügen zurückgekehrt, um sich zu vergewissern, dass die Eltern noch da waren. Dass sie sich nicht von der Stelle rühren und auf sie warten würden, notfalls eine Ewigkeit lang.
    » Lass uns in einem Wald leben«, sagte Björn und fasste nach Maxims Hand, damit er ihn nicht auf dem Weg nach irgendwo verlor.
    » Meinst du das ernst?«
    » Ja.« In Maxims Hand glühte das Fieber. » Nein.«
    Ein Vogel schrie.
    » Lass uns umkehren, Maxim.«
    » Erst, wenn ich weiß, wo der Wald zu Ende ist.«
    Hand in Hand gingen sie. Weiter und weiter. Der Wald schien nicht aufzuhören. Niemand begegnete ihnen. Es war, als wären sie allein auf der Welt.
    » Stell dir vor, wir wären die einzigen Menschen auf der Erde«, sagte Maxim da auch schon.
    Manchmal verschlug es Björn den Atem, zu sehen, wie eng ihre Gedanken miteinander verknüpft waren.
    » Wärst du froh darüber?«, fragte Maxim.
    Nein, dachte Björn. Romy würde mir fehlen. Nach kurzem Zögern sprach er es aus.
    » Okay. Du, Romy und ich.«
    » Froh? Ich weiß nicht…«
    » Für mich bist du der einzige Mensch auf der Welt«, flüsterte Maxim und zog Björn an sich. Dass es lange Zeit eine Griet neben Björn gegeben hatte, war für ihn offenbar kein Thema mehr, auch wenn er weiterhin ständig versuchte, sie übers Handy zu erreichen.
    Björn atmete seinen guten, sauberen Duft ein, dem selbst das Fieber nichts anhaben konnte, und verscheuchte den

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