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Spiegelschatten (German Edition)

Spiegelschatten (German Edition)

Titel: Spiegelschatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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dass sie sich schon lange nicht mehr mit dem Thema Homosexualität auseinandergesetzt hatte. Nicht mehr, seit Björn sich zum ersten Mal in einen Jungen verliebt hatte.
    Dass es jemanden gab, der Schwule umbrachte, war unfassbar für sie, und es wurde von Wort zu Wort unbegreiflicher.
    Bei allem Zuspruch, den Romy bei der Veranstaltung gespürt hatte, waren ihr auch die Pöbeleien nicht entgangen, die es am Rande gegeben hatte. Männer, die ihre Witze über warme Brüder gerissen und feixend vom anderen Ufer gefaselt hatten. Eine Minderheit, aber jeder Einzelne, der so reagierte, war zu viel.
    Wir sind noch längst nicht im einundzwanzigsten Jahrhundert angekommen, schrieb sie. Jedenfalls nicht, was das Thema Homosexualität betrifft.
    Und was war mit der Behauptung, die sie schon oft von Frauen gehört hatte? Die besten Frauen seien schwule Männer? Nicht abwertend gemeint, ganz und gar nicht, doch wie empfanden schwule Männer sie?
    Romy hatte beschlossen, keine Namen zu nennen, um Björn und seine Freunde zu schützen. Sie hatte ihren Bruder eindringlich gebeten, Fragen von Reportern äußerst zurückhaltend zu beantworten. Hatte er das auch Ingo gegenüber beherzigt?
    Sie griff zum Telefon.
    Ingo nahm das Gespräch bereits nach dem zweiten Klingeln an. » Gut nach Hause gekommen?«, fragte er.
    Normalerweise war er nicht so fürsorglich. Was war mit ihm passiert? Menschen veränderten sich manchmal, wenn sie durch eine Krise gegangen waren. Hatte Ingo eine solche Krise erlebt? Und sie hatte es nicht mitbekommen?
    » Danke. Und du?«
    » Die Aktion hat mich schwer beeindruckt«, sagte er.
    » Das war der Sinn der Sache.«
    » Und? Hast du deinen Artikel schon geschrieben?«
    » Bin gerade dabei.«
    » Und jetzt brauchst du Hilfestellung?«
    Da war er wieder, der alte Ingo. Immer einen Schritt voraus, immer ein bisschen zu stolz auf sein Können, die Nase immer ein bisschen zu hoch und die Stimme voller Spott.
    » Nein. Aber ich möchte gern etwas mit dir absprechen.«
    » Ich treffe keine Absprachen, Romy. Das wär der Anfang vom Ende.«
    Damit lag er nicht einmal falsch.
    » Nur eine Kleinigkeit, Ingo.«
    » Lass hören.«
    » Bitte nenn keine Namen.«
    » Geht nicht, Romy. Eine Veranstaltung hat Organisatoren, und ich kann nicht darauf verzichten, Ross und Reiter zu nennen.«
    Ross und Reiter? Blödes Bild, dachte Romy.
    » Aber du könntest die Akzente anders setzen«, sagte sie. » Das Ganze sollte sowieso als spontaner Akt verstanden werden. Rein theoretisch muss es demnach in diesem Fall gar keine Organisatoren geben.«
    Ingo schwieg. Anscheinend ließ er sich ihren Vorschlag durch den Kopf gehen.
    » Was krieg ich dafür?«, fragte er schließlich, und Romy hätte das Gespräch fluchend beendet, wenn sie nicht das Lächeln in seiner Stimme gehört hätte.
    » Ein leckeres Abendessen? Bei mir?«
    » Kochst du gut?«
    » Machst du Witze?«
    » Okay…«
    » Ich werde mein Bestes geben.«
    » Wann?«
    » Heute Abend? Sieben Uhr?«
    » Sieben Uhr.«
    » Und du nennst keine Namen?«
    Doch da klickte es und Ingo war weg.
    Romy saß da, das Telefon noch in der Hand, und fragte sich, wie sie aus der Nummer wieder rauskommen sollte. Ingo. Und auch noch zum Essen.
    Sie sah auf die Uhr. Kurz vor zwölf. Ein Blick in den Kühlschrank zeigte ihr, dass sie nicht nur kochen, sondern zaubern musste, falls sie nicht den Shop der nächsten Tankstelle plündern wollte.
    Was sie jedoch wirklich irritierte, war die Erkenntnis, dass sie das nicht in Panik versetzte. Im Gegenteil. Sie fing an, sich zu freuen.
    *
    » Nett, dass du mich besuchst.«
    Rick hörte sich schon viel besser an. Er sah auch wieder gesünder aus. Mit einer Handbewegung lud er Bert ein, hereinzukommen.
    Seine Altbauwohnung lag in Ehrenfeld, ebenso wie die von Bert, und besaß die typischen hohen Decken und große, gemütliche Fenster, die den Eindruck machten, als seien sie noch einfach verglast. Durch einen langen, dunklen Flur ohne Möbel und Bilder führte Rick Bert in das Wohnzimmer, auf dessen Sofa er sein Krankenlager eingerichtet hatte.
    Bert sah eine zurückgeschlagene dicke Wolldecke, ein zusammengedrücktes Kopfkissen und am Fußende eine frotteebezogene blaue Wärmflasche. Auf dem Couchtisch hatten sich neben mehreren leeren Teetassen ein Fieberthermometer, ein Teller mit Mandarinenschalen, ein Stapel Zeitungen und Zeitschriften und eine halb volle Schale mit Studentenfutter angesammelt. Hier und da lagen zerknüllte Papiertaschentücher, die Rick

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