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Spiegelschatten (German Edition)

Spiegelschatten (German Edition)

Titel: Spiegelschatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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zu streichen, wieder und wieder.
    Endlich erwachte die Frau aus ihrer Starre. Sie wandte sich ihrem Mann zu, legte ihm den Arm um die Schultern und drückte ihn leicht an sich.
    » Ist ja gut«, sagte sie leise. » Dir passiert nichts. Ich pass auf dich auf.«
    » Du passt auf mich auf?« Hoffnungsvoll sah er ihr in die Augen. » Ja?«
    » Ganz bestimmt.«
    » Mir kann nichts passieren?«
    » Nein. Nichts.«
    » Weil du auf mich aufpasst.«
    » Ja.«
    Er erhob sich mühsam und verließ mit unsicheren Schritten das Zimmer.
    » Mein Mann fühlt sich bedroht, sobald seine Routine unterbrochen wird«, erklärte seine Frau. » Schon eine einfache Frage bringt ihn aus dem Gleichgewicht. Er hat ständig Angst, etwas falsch zu machen.«
    » Pflegen Sie ihn allein?«, fragte Bert.
    » Nein. Das würde ich nicht schaffen. Es ist stundenweise jemand da, der mir hilft. Aber meistens klammert mein Mann sich an mich. Obwohl er sogar mich manchmal nicht erkennt. Das geht jetzt schon so lange so, dass ich allmählich jede Hoffnung auf Besserung verliere.«
    Aus den Augenwinkeln nahm Bert wahr, dass Rick unbehaglich auf seinem Sessel hin und her rutschte. Er selbst wäre auch gern aufgestanden, um die Anspannung loszuwerden.
    » Wie ist unser Sohn… gestorben?«, fragte Barbara Blum. Sie hatte die Hände ineinander verschränkt und saß sehr gerade. Ihr Gesicht war grau vor Elend. Ihre Augen wirkten stumpf und glanzlos.
    Bert schluckte trocken. Die Worte wollten ihm nicht über die Lippen.
    » Er ist erschlagen worden«, hörte er Rick mit ruhiger Stimme sagen. » Es ging schnell. Er hat nicht lange leiden müssen.«
    Barbara Blum nickte. Starrte blicklos irgendwohin und nickte. Als versuchte sie, sich an dem schwachen Trost in Ricks Worten festzuhalten.
    » Gibt es jemanden, den Sie anrufen können?«, fragte Rick. » Jemanden, der für eine Weile bei Ihnen bleiben kann?«
    » Mein Mann«, antwortete Barbara Blum. » Mein Mann ist bei mir. Außer ihm könnte ich im Augenblick niemanden um mich haben.«
    Sie blieben noch einige Minuten still bei ihr sitzen.
    » Wir lassen Sie jetzt allein«, sagte Bert dann. » Bemühen Sie sich nicht, wir finden schon hinaus.«
    Draußen hatte er die kühle Luft tief in die Lunge gesogen. Er war Rick dankbar dafür gewesen, dass er die richtigen Worte gefunden hatte.
    » Was wissen wir?«, fragte Bert jetzt, während er ein Foto des toten und eines des lebenden Leonard Blum an der Pinnwand in seinem Büro befestigte. Er arbeitete noch nicht lange mit Rick, und ihre Vorgehensweise war hier und da sehr unterschiedlich.Aber Rick hatte bislang kein einziges Wort über Berts Gewohnheit verloren, die Fälle auf einer altmodischen Pinnwand zu dokumentieren, was ihm beim Ordnen seiner Gedanken oft half.
    » Nicht viel«, antwortete Rick lakonisch.
    Neuer Tag, neues Glück, dachte Bert. Hoffentlich würden sie heute ein kleines Stück vorankommen.
    Tatsächlich hatten die Befragungen am Nachmittag zuvor nicht allzu viel erbracht. Drei Parteien bewohnten das Haus in der Krementzstraße. Im Erdgeschoss lebte der Besitzer, ein pensionierter Konditormeister und überzeugter Junggeselle, der ausgefallene Uhren sammelte und zwar mit einer solchen Leidenschaft, dass es in jedem Winkel seiner Wohnung tickte, summte und surrte.
    Den ersten Stock hatte er an eine bekannte Sachbuchautorin vermietet, die Bücher über Gott und die Welt verfasste und seit Jahren Material für das ultimative Kochbuch zusammentrug. Ihr Wohnzimmer war pures Chaos. Handgeschriebene, stockfleckige Rezepte lugten aus prall gefüllten Ordnern hervor, Fotos von Gebratenem, Gebackenem und Gesottenem bedeckten jede freie Fläche. Auf den Fensterbänken stapelten sich Küchenratgeber und Kochbücher aus den unterschiedlichsten Ländern.
    Unterm Dach schließlich hatte Leonard Blum seine Wohnung gehabt.
    Ein einsames Haus, hatte Bert gedacht. Und wirklich hatten die Bewohner untereinander keinen Kontakt gepflegt. Dennoch hatten der Vermieter und seine Mieterin einige Beobachtungen gemacht, die Leonard Blum charakterisierten.
    » Er hielt sich sehr zurück.«
    » Man hörte ihn kaum.«
    » Tagsüber war er immer weg, an der Uni, glaube ich.«
    » Anscheinend hat er viel gearbeitet. Bis in die späte Nacht hinein brannte bei ihm Licht.«
    » Mit einer Freundin habe ich ihn nie gesehen.«
    » Wenn wir uns begegnet sind, hat er immer höflich gegrüßt.«
    » Ich habe oft Pakete für ihn angenommen. Als hätte er das meiste, was er zum Leben brauchte,

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