Spiel, bis du stirbst (Samantha Veselkova Krimi) (German Edition)
nochmals. Außer dem Busfahrer hatten noch mehrere Fahrgäste gesehen, wie die Frau auf die Straße gesprungen war. Scheinbar war sie bergab durch einen Wald gerannt, und hatte an einer Böschung nicht mehr stoppen können. So war sie hinab gestürzt und unmittelbar unter die Räder gekommen.
‚Warum rennt eine unbekannte, offenbar ausländische Frau durch einen Wald?‘, fragte sich Sam. ‚Bei einem Spaziergang wäre sie sicher nicht gerannt.‘
Sie grübelte lange über diese Frage, fand jedoch keine Antwort. Sie würde Gregor fragen, ob er etwas darüber wusste. Es war zwar schon fast fünf Monate her, aber vielleicht konnte er sich ja trotzdem noch daran erinnern. Vor allem interessierte es sie, wo diese Stelle war, an der die Unbekannte so plötzlich aus dem Wald aufgetaucht sein musste. ‚Eine Landstraße im Taunus …‘, dachte Sam. ‚Und die Stelle, wo Deborah auf den Schienen lag, war auch im Taunus.‘
Gab es da einen Zusammenhang? Unsinn, das war zu weit hergeholt. Sie warf die Zeitung wieder nach hinten und schloss die Augen. Am besten versuchte sie, doch noch ein wenig zu schlafen, denn die Müdigkeit untergrub scheinbar ihren klaren Menschenverstand. Bei Deborah war es ganz offensichtlich kein Unfall gewesen, während es bei der anderen Frau zahllose Zeugen dafür gab, dass es einer gewesen war. Tief durchatmend schloss sie die Augen. Zwei Minuten später öffnete sie sie wieder, griff nach hinten, holte sich die Zeitung wieder, und prägte sich das Datum ein: der fünfzehnte April. Abermals flog die Zeitung hinter den Beifahrersitz, und in einem letzten Versuch zu schlafen ließ Sam ihre Lider wieder herabsinken. Ihre Gedanken kreisten von Jan zu Deborah, dann weiter zu dem Zeitungsartikel, zu der Sprachschule, und wieder zurück zu Jan. Wann war Deborah nach Deutschland gekommen? War das nicht im April gewesen? Hatte Jan nicht früher einmal eine andere brasilianische Bekannte erwähnt? Er sprach schon lange nicht mehr von ihr. Seit April? Sam wusste es nicht mehr. Wie hatte die Bekannte noch geheißen? Auch das fiel ihr nicht ein. Gesehen hatte Sam diese Bekannte nie. Sie hatte auch keine Ahnung, wie gut die Freundschaft zu Jan gewesen war.
Die Zeit verrann so langsam, als hätte jemand den Zeitlupenmodus eingeschaltet. Obwohl Sam müde war, konnte sie nicht schlafen, und sie mochte es nicht, wenn sie sich über etwas Gedanken machte, das sie momentan ohnehin nicht lösen oder ändern konnte.
Michael Höppel fiel ihr wieder ein. Irgendwie war sie von ihm beeindruckt, aber warum?
Ganz egal, er war ein netter und lustiger Kerl, mit dem das Motorradfahren viel Spaß machte.
Warum dachte sie eigentlich so gut wie gar nicht an Michaels Kumpel? Gerhard war ebenso nett und hatte auch Humor. Mit ihm konnte man ebenfalls sehr viel Spaß beim Fahren haben.
Ihre Müdigkeit schien ihren Geist zu verwirren. Sam zwang ihre Gedanken in eine andere Richtung. Nika. Dieses freche Mädchen! Ein Schmunzeln stahl sich auf Sams Lippen, als sie an Nika dachte. Die Kleine hatte sie tatsächlich überrumpelt. Aber sie war so ausgelassen und unbeschwert, dass ihre Gesellschaft wahrlich erfrischend war. Irgendwie freute sie sich auf Samstag. Plötzlich lachte sie laut auf, wobei ihr die eigene Stimme in der Stille der Nacht irgendwie unwirklich vorkam. Was hätte sie nur getan, wenn Michael für Samstag zugesagt hätte? Da war sie doch mit Nika verabredet. Es wäre eine wirklich unangenehme Situation für Sam geworden. Sie musste unbedingt an sich arbeiten und bei persönlichen Dingen nicht immer aus dem Bauch heraus irgendwelche unsinnigen Dinge machen. Aber es war ja noch einmal gut gegangen.
Gegen halb sechs goss sie sich einen Becher Kaffee aus der mitgebrachten Thermoskanne ein und trank ihn langsam.
Es hatte angefangen zu regnen. Die auf das Dach trommelnden Tropfen erzeugten eine einschläfernde Geräuschkulisse, doch jetzt war es zu spät zum Schlafen. Sam hoffte, dass der Regen bald aufhörte, denn sonst musste sie ab sieben Uhr den Scheibenwischer laufen lassen, um Herrn Pranger in keinem Fall zu verpassen. Sie leerte ihren Becher und schraubte den Deckel wieder auf die Kanne.
Dann testete sie das Empfangsteil ihres Peilgerätes. Kurz nach dem Einschalten piepste es, und eine beleuchtete, analoge Anzeige gab Aufschluss über die Empfangsstärke. Da es zu funktionieren schien, stellte sie es wieder ab. Die Beleuchtung des Gerätes erlosch.
Sie musste sich unbedingt besser ausrüsten. Es gab
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