Spiel, bis du stirbst (Samantha Veselkova Krimi) (German Edition)
Dann ging die Frau die Treppe hinunter. Sam warf einen Blick ins Schlafzimmer und erkannte, dass Nika offenbar die ganze Zeit zu ihr gesehen hatte.
„Du kannst ruhig herkommen, Nika. Ich habe keine Geheimnisse vor dir, zumindest nicht, was diese Dinge betrifft.“
Das Mädchen kam heraus und setzte sich zu Sam. „Du hast wirklich mal einen Mörder gefangen?“, wollte sie wissen.
„Ja. Er hatte meine beste Freundin umgebracht.“ Kurz tauchten vor ihrem inneren Auge Bilder von Sabsi auf. Sexy Sabsi hatte sie sich genannt. Eine Hure. Eine Hure, und ein durch und durch guter Mensch. Sam vertrieb die Gedanken. „Die Polizei hatte damals die Suche aufgegeben. Es gab keine Anhaltspunkte. Aber ich wusste, wie Sabsi war und imitierte sie. Irgendwann hat der Mörder angebissen und ich konnte ihn überführen.“ Dass sie dabei fast ums Leben gekommen wäre, erzählte sie nicht.
„Das war wahrscheinlich die beste Tat, die du jemals in deinem Leben vollbracht hast“, meinte Nika.
„Nein.“ Sam sah auf einen imaginären Punkt irgendwo in der Ferne. „Das war nicht meine beste Tat. Die liegt viel weiter zurück.“
Die Schritte auf der Treppe ließen die beiden Frauen aufschauen. Sam sah die Polizistin herauf kommen.
„Ich kann Sie beruhigen, der Kerl wird noch eine Weile dort bleiben, wo Sie ihn hingebracht haben.“
Der Detektivin fiel ein Stein vom Herzen. Kurzzeitig hatte sie daran gedacht, dass die ganzen Dinge gar nicht Jan und der Sache mit Deborah galten, sondern ihr, und dass es lediglich ein riesiger Zufall war, dass alles so zeitgleich passierte.
„Ich danke Ihnen“, sagte sie zu der Beamtin. „Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr mich das beruhigt.“
„Keine Ursache. Fallen Ihnen sonst noch irgendwelche Feinde ein, die in Frage kämen?“
„Nein, keine, die in Frage kämen.“
„Fallen Ihnen denn noch Feinde ein, die nicht in Frage kämen?“, hakte die Beamtin nach.
„Was soll ich dazu sagen? Es gab in der Vergangenheit viele verschmähte Verehrer. Dazu einige Leute, über die ich als Detektivin einiges herausbekommen habe. Vermutlich kann man auch zahlreiche Menschen finden, denen ich einfach unsympathisch bin.“
Es wurde drei Uhr morgens, bis die Polizei mit ihren Arbeiten fertig war. Erschöpft gingen Nika und Sam zu Bett, aber Sam wusste, dass sie noch lange nicht einschlafen würde. Eine Weile lag sie still unter ihrer Decke, spürte Nikas Hand auf ihrer Schulter, und grübelte vor sich hin.
„Samantha? Darf ich dich etwas fragen?“ Offenbar konnte auch Nika nicht schlafen.
„Frag!“
„Was war deiner Meinung nach deine bisher beste Tat?“
Sollte sie darüber reden? Bisher war Jan der einzige gewesen, dem sie davon erzählte hatte. Dabei gab es eigentlich keinen Grund, es zu verschweigen. Sie hatte ja nichts Schlimmes getan – im Gegenteil. Trotzdem hatte sie immer das Empfinden gehabt, dass es niemanden etwas anging. Und Nika? Sie kannten sich erst so kurz, und doch kam es Sam so vor, als würde sie ein unsichtbares Band verbinden, das zwar noch sehr zart und zerreißbar war, aber dennoch vorhanden.
„Du musst es natürlich nicht erzählen, wenn du nicht magst“, flüsterte Nika.
Sollte sie? Sollte sie nicht?
„Es ist so lange her, dass es mir vorkommt, als sei es in einem anderen Leben gewesen“, begann Sam. „Ich war erst zwölf Jahre alt. Damals habe ich in einem Heim gelebt.“
„Was war mit deinen Eltern?“, unterbrach Nika.
„Meine Mutter starb bei meiner Geburt, und mein Vater wusste wahrscheinlich gar nichts von mir. Ich hatte sogar eine Weile Adoptiveltern, aber die sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als ich zehn war.“ Sam versuchte, die Bitterkeit in ihrer Stimme zu unterdrücken, aber es gelang ihr nur unvollkommen. Dafür spürte sie, wie Nika ihren Arm um sie legte und sie fest an sich drückte.
„Das tut mir sehr leid“, sagte das Mädchen leise.
„Ist schon okay, es ist lange her. Die Geschichte, die dich interessiert, hat damit auch nichts zu tun. Ich war jedenfalls damals bei einer Freundin zu Besuch. Barbara ging mit mir in eine Klasse. Sie war sehr lieb, aber immer ein bisschen schüchtern. Oft war sie mir fast ängstlich vorgekommen. Irgendwie hatte ich schon immer einen Beschützerinstinkt in mir, wenn es um schwache Menschen geht, also hatte ich mich ihrer ein wenig angenommen. An dem Tag war ich bei ihr und wir spielten in ihrem Zimmer. Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass Barbara unbedingt mit
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