Spiel der Finsternis: Der Bund der Schattengänger 10 - Roman (German Edition)
Gedanke an ihn und diese entsetzlichen Erinnerungen an ihre Jahre bei ihm trotzdem noch Albträume.
»Azami?«, erkundigte sich Daiki leise.
Sie konnte echte Sorge aus seiner Stimme heraushören und war wie immer, wenn einer ihrer Brüder ihr unerwartete Zuneigung zeigte, gerührt. Sie schenkte ihm ein rasches Lächeln, um ihn zu beruhigen, und achtete darauf, dass ihre Züge heiter und gelassen blieben. Sie konnte erkennen, dass Eiji und Daiki beide besorgt um sie waren. Sie waren seit dem Tag an ihrer Seite gewesen, als sie gemeinsam mit ihrem Vater gesehen hatten, wie sie in einer der schlimmsten Gegenden von Kinshicho im Osten von Tokio aus einem Leihwagen gestoßen wurde. Whitney hatte sie sich an einem Ort vom Hals geschafft, der für Zuhälter, Sexhandel und Pädophile bekannt war, gerade so, wie auch die Eltern ihrer Brüder diese ausgesetzt hatten. Sie war acht Jahre alt gewesen, und ihr Körper war bereits von Narben überzogen. Sie hatte einundzwanzig Kilo gewogen, und die Anzeichen, die auf Folter, Missbrauch und vielfache Operationen hinwiesen, waren aussagekräftig – Anzeichen dafür, dass ein Irrer systematisch Experimente mit ihr angestellt hatte.
Mamoru Yoshiie hatte sie behutsam hochgehoben und ihr lange in die Augen gesehen, bevor er genickt hatte, als sähe er etwas in ihr, was es wert war, gerettet zu werden. Vor diesem schlichten Nicken hatte ihr nie zuvor jemand das Gefühl gegeben, sie sei etwas wert. Er hatte sie zu sich nach Hause mitgenommen, wo sie mit ihm und seinen Adoptivsöhnen zusammenleben sollte. Von jenem Tag an hatte Yoshiie sie großgezogen, als sei sie seine geliebte Tochter, nicht irgendwelcher Abschaum, den er im Schmutz der Straße aufgelesen hatte.
»Es ist wunderschön hier. Ich weiß nicht, warum ich das nicht erwartet habe.« Das war ihre Art, sie zu beruhigen – indem sie die Schönheit ihrer Umgebung hervorhob, wie es ihr Vater oft getan hatte, wenn ihre Albträume Nacht für Nacht den gesamten Haushalt aufgeweckt hatten. Dann hatte er sie nach draußen getragen, wo sie Luft bekam, sich zu ihr gesetzt und sie auf die fernen Berge und den Himmel über ihren Köpfen hingewiesen. Die Jungen hatten sich dicht an sie gedrängt und ebenso beruhigend ihre Schultern berührt.
Sie liefen geradewegs in das mögliche Kernstück eines feindlichen Lagers hinein. Es wäre nicht das erste Mal, und hoffentlich würde es nicht das letzte Mal sein. Über das Gelände war wenig in Erfahrung zu bringen, und sogar ein Satellit, den sie zum Ausspähen über den Lolo National Forest gesandt hatten, hatte nicht mit ergiebigen Daten aufwarten können. Sie hatte keine Ahnung, ob diese spezielle Gruppe von Schattengängern eng mit Whitney zusammenarbeitete oder nicht – aber seine Tochter und sein Enkel hielten sich irgendwo hier oben in diesen Bergen auf. Lily Whitney-Miller war mit einem Schattengänger verheiratet. Sie hatte bei einigen der Experimente mit ihrem Vater zusammengearbeitet. Wenn jemand Whitneys Aufenthaltsort kannte, dann würde es seine Tochter sein.
»Diese Leute sind Profis, deren Fähigkeiten meinen ähneln«, sagte sie zum wiederholten Mal mit ruhiger Stimme. »Geht keine Risiken ein. Macht euch keine Sorgen um mich, wenn etwas schiefgeht, sondern verschwindet schleunigst.«
Daiki sah sie finster an. »Du wiederholst dich, Azami«, sagte er vorwurfsvoll. »Bist du sicher, dass du zu diesem Schritt bereit bist?«
»Ich habe mein ganzes Leben lang auf diesen Moment gewartet. Whitney ist ein Monster, und ihm muss Einhalt geboten werden«, erwiderte sie. »Es ist meine Bestimmung, eine Möglichkeit zu finden, ihn von denen abzuschneiden, die er manipuliert, damit sie ihn unterstützen, und dann erst werde ich in der Lage sein, ihm das Handwerk zu legen.«
»Wir hatten Jahre Zeit, um unsere Rollen einzustudieren«, hob Eiji hervor. »Wir haben der ganzen Welt dieses Theater vorgespielt, und wir werden keinen Fehler machen. Glaube an die Fertigkeiten, die unser Vater uns beigebracht hat, Schwesterchen.«
Daiki beugte sich dicht zu ihr. »In den Augen der Welt sind wir brillante Geschäftsleute, aber unser Vater hat uns gelehrt, wie wir zu leben und zu sein haben, und wir sind außerordentlich gute Krieger. Wir werden weder dich noch uns selbst enttäuschen.«
»Aufgepasst!«, warnte Eiji.
»Mr. Yoshiie?«
Thorn verschlug es den Atem, und sie drehte sich langsam zu dieser tiefen, maskulinen Stimme um. Gleichmut, rief sie sich ins Gedächtnis zurück, als ein
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