Spiel der Finsternis: Der Bund der Schattengänger 10 - Roman (German Edition)
rumbringen. Ein Dutzend Hostessen hielten sich in dem Raum auf. Man würde sich vielleicht an sie erinnern, aber niemand würde sie mit Melanies Tod in Verbindung bringen. Höchstwahrscheinlich würde niemand den Abend mit Melanies Tod in Verbindung bringen.
»Hast du einen festen Freund?«, fragte Sheila mit einem Anflug von Wehmut in der Stimme.
»Nichts Festes. Ich bin auf der Suche nach dem richtigen Mann, an den ich mich ranmachen kann, nach jemandem, der für Whitney von Nutzen sein wird – er oder zumindest die Informationen, die ich von ihm kriegen kann –, und er muss verdammt gut im Bett sein.« Melanie lachte. »Ich bin selbstsüchtig, Sheila. Ich will meine Wohnung und meine Zeit nicht mit einem Mann teilen müssen. Ich will nichts Dauerhaftes, das heißt, wenn ich mehr als ein oder zwei Nächte in ihn investiere, muss er mir schon etwas Besonderes zu bieten haben.«
Sheila schüttelte den Kopf und löffelte mehr Schokolade in sich hinein. »Nur du würdest so etwas laut aussprechen.« In ihrer Stimme schwang Bewunderung mit.
»Tja, in Wirklichkeit brauche ich eben niemanden. Willst du jemanden, der dir vorschreibt, was du tun kannst und was nicht, und der dich ständig aushorcht, wohin du gehst? Du rufst an, und ich will überhaupt keinen Mann zu einem unserer Abendessen mitbringen, aber er würde absolut mitkommen wollen.« Melanie nahm Sheila den Löffel aus der Hand und leckte die Schokolade ab. »So weit werde ich es auf keinen Fall kommen lassen.«
»Fürchtest du dich nicht davor, allein alt zu werden?«, fragte Sheila.
Melanie lachte wieder. »Ich habe doch dich, du Dummchen. Wir werden gemeinsam alt werden. Vielleicht könnten wir uns Unmengen von Katzen zulegen. Und Schaukelstühle. Wenn uns danach zumute ist, machen wir eine dieser Kreuzfahrten, fressen uns dämlich und glotzen all die jungen Männer an.«
Sheila nickte. »Ich finde, das klingt gut.«
Melanie hob ihr Weinglas. »Auf unsere Zukunft als alte Damen.« Sie schmunzelte, als sie mit Sheila anstieß. » Reiche alte Damen. Stinkreiche alte Damen. Vielleicht werden wir uns ein paar italienische Lustknaben zulegen, die unsere kleinen Kätzchen für uns füttern können.« Sie lachte über ihre Anzüglichkeiten.
Azami hatte Mühe, ihren Abscheu nicht zu zeigen, während sie so mit Frankie dasaß, der ihren Oberschenkel drückte, und den zwei Frauen zuhörte, die ein Team von Soldaten in den Tod geschickt hatten und jetzt auf ihre eigene Zukunft anstießen. Sie verstand sie nicht, und schon gar nicht Melanie, die die Arbeit sah, die diese Teams weltweit verrichteten, die Menschenleben, die sie retteten. Wie war es möglich, diese Männer nicht zu bewundern und nicht für ihre Sicherheit sorgen zu wollen?
Und Whitney. Sie konnte sein Double kaum ansehen, ohne dass sich ihr Magen hob. Für sie war es die Hölle, mit ihnen allen in diesem Raum zu sitzen. Whitneys angebliche Soldaten, Männer wie Frankie, die keine Ehre hatten. Frauen wie Melanie und Sheila, die Geld dafür nahmen, Männer in den Tod zu schicken, die starben, während sie Wein tranken und Schokolade aßen. Langsam dämmerte ihr die Erkenntnis: Thorn gehörte nicht hierher. Sie war unbrauchbar für Whitney. Darüber hätte sie sich freuen sollen. Sie hätte stolz auf sich sein sollen, weil sie nicht so war wie diese beiden Frauen oder diese Männer, die bereit waren, für Geld und Beifall nach der Pfeife eines Monsters zu tanzen.
Was hatte sie sich in all diesen Jahren bloß gedacht? Sie hatte einen Vater, der ihr gezeigt hatte, wie man ein ehrenhaftes Leben führte. Zwei wunderbare Brüder, die sie liebten. Und Sam. Ihren Sam. Sie war mit knapper Not entkommen, während so viele andere jahrelang durch Whitneys Hand gelitten hatten. Warum hatte sie ihn in ihrer Vorstellung so groß gemacht? So allmächtig? Sie hatte zugelassen , dass Whitney über Jahre ihre Selbsteinschätzung beeinflusst hatte. Diese Menschen hier waren diejenigen, die er für akzeptabel hielt, und sie verabscheute sie.
Melanie und Sheila erhoben sich, um zu gehen. Melanie sah Azami mitten ins Gesicht und schürzte ihre Lippen, um ihr eine Kusshand zuzuwerfen. Sheila lachte. »Du bist ja so gemein, Mel.« Ein nervöses Kichern war aus ihrer Stimme herauszuhören, als gefiele ihr wirklich nicht, was ihre Freundin getan hatte, doch sie fürchtete sich davor, sie deswegen zur Rede zu stellen.
In all der Zeit, in der Azami Sheila gefolgt war, hatte nie jemand Sheila nervös gemacht. Sie war ihr
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