Spiel der Herzen (German Edition)
über ihre Familie nachzusinnen. Da ihre Eltern tot waren, musste sie bei ihrem Bruder und ihrer Schwägerin wohnen. Also war sie die alte unverheiratete Tante im Dachstübchen.
Es war wirklich eine Schande. Sie sah viel zu jung für eine alte Jungfer aus – sie konnte nicht älter als fünfundzwanzig sein. Was für ein Leben war das für eine Frau?
Sicher, Minerva war achtundzwanzig und schien zufrieden mit ihrem Leben zu sein. Doch das lag daran, dass sie ihre Bücher hatte. Und was hatte Miss Lake? Eine Brauerei, die ihr nicht gehörte und von der sie der Bruder wahrscheinlich fernhielt, so gut es ging.
Vielleicht aber auch nicht, denn immerhin war sie wegen der Brauerei nach London gekommen.
Sie spielte ihre erste Karte aus, und er zwang sich, aufmerksam zu sein. Er musste sein ganzes Können aufbieten, um zu gewinnen oder zumindest ein Remis zu erreichen.
Sie spielten eine ganze Weile schweigend, bis Masters plötzlich die Stille durchbrach. »Sag mal, Gabe, wie sieht es bei euch anderen aus, nachdem Jarret sich erfolgreich vor der Ehe drücken konnte? Hast du dir schon eine Frau ausgesucht?«
Gabes Miene verfinsterte sich. »Ich warte bis zum letzten Moment.«
»Eine kluge Entscheidung«, sagte Masters. »Und … äh … deine Schwestern? Haben sie schon ihre Wahl getroffen?«
Irgendetwas in Masters’ Stimme ließ Jarret aufhorchen. Er schaute zu seinem Freund, der mit scheinbarem Gleichmut seine Fingernägel studierte. Seine Miene war jedoch von einer verräterischen Anspannung gezeichnet.
Gabe schien es nicht zu bemerken. »Ach, Celia ist deswegen immer noch sauer auf Großmutter, und Minerva ist sehr verärgert darüber, dass Jarret von dem Ultimatum ausgenommen wurde. Sie will sich auch dagegen wehren, aber ich weiß nicht, wie sie es anstellen will. Jarret hatte als Einziger von uns eine vernünftige Verhandlungsgrundlage. Nicht einmal Olivers Plan, Großmutter ein Schnippchen zu schlagen, ist aufgegangen.«
»Nun, wenn ihr irgendjemand ein Schnippchen schlagen kann, dann ist es sicherlich Lady Minerva«, sagte Masters ein wenig zu bedachtsam.
Jarret stutzte. Er hatte sich gefragt, ob zwischen Masters und Minerva etwas lief, als er die beiden zusammen beim Valentinsball gesehen hatte, doch nachdem Oliver seine Verlobung mit Maria bekannt gegeben hatte, hatte er es wieder vergessen.
Er wollte verdammt noch mal hoffen, dass da nichts war. Masters war zwar sein bester Freund, aber was Frauen anging, war kein Verlass auf ihn. Und er hatte die sonderbare Angewohnheit, tagelang zu verschwinden, wohin auch immer. Minerva hatte einen besseren Mann verdient als so einen unzuverlässigen Hund. Und wäre Großmutters Ultimatum nicht, müsste sie auch gar keinen –
»Herz ist Trumpf, Lord Jarret«, sagte Miss Lake.
Er schaute auf den Tisch und stellte fest, dass er versucht hatte, ihren Karobuben mit einer Pikfünf zu stechen, weil Pik im letzten Spiel Trumpf gewesen war. Zur Hölle noch mal! Der Gedanke, Masters habe es womöglich auf seine Schwester abgesehen, hatte ihn völlig durcheinandergebracht.
»Natürlich«, sagte er rasch und schob ihr den Stich hin.
Nun war er jedoch in Schwierigkeiten. Sie hatten mindestens drei Stiche gespielt, ohne dass er bei der Sache gewesen war. Er konnte sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, welche Karten gespielt worden waren.
Verdammt, verdammt, verdammt! Er wusste nicht, wo die Kreuzdame und die Herzzehn waren. Er hatte weder die eine noch die andere gehabt, so viel war sicher, aber welche von beiden hatte sie bereits gespielt?
Jeder hatte nur noch zwei Karten, und es drohte das nächste Remis. Er hatte die Herzneun und die Kreuzfünf – und er kam als Nächster heraus. Er war ziemlich sicher, dass sie die Karoacht und entweder die Kreuzdame oder die Herzzehn hatte.
Er rechnete die Sache rasch durch. Wenn er mit der Fünf herauskam, führte jede mögliche Kombination zu einem Unentschieden. Wenn er mit der Herzneun herauskam, gab es drei Möglichkeiten: Sie konnte gewinnen, er konnte gewinnen oder es gab ein Remis, je nachdem, wie sie spielte.
Am besten kam er mit der Fünf heraus. Damit war er auf der sicheren Seite, weil er nicht verlieren konnte. Aber so konnte er auch nicht gewinnen. Und wenn er dann beim nächsten Spiel ein schlechtes Blatt bekam? Zumindest hatte er noch eine Chance zu gewinnen, wenn er mit der Herzneun herauskam.
Alles hing davon ab, ob sie sich den Trumpf oder die hohe Karte aufgehoben hatte. Anhand ihrer bisherigen
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