Spiel der Herzen (German Edition)
entgegnete Sissy leise. »Aber deine Tante schmerzt es, darüber zu sprechen. Ich hätte es nicht erwähnen sollen.«
»Ach was!« Annabel bemühte sich, gelassen zu klingen. »Es ist schon lange her; ich war damals erst sechzehn. Und wir waren nicht lange verlobt. Papa sagte, wir seien zu jung zum Heiraten, und wollte, dass wir warten, bis ich achtzehn bin. Als ich siebzehn war, ist Ruperts Bruder in Frankreich gefallen, und Rupert ist zur Armee gegangen, um Vergeltung zu üben. Er fiel in der Schlacht von Vittoria, kurz nachdem er England verlassen hatte.«
Sie hatte zwar aufgehört, um ihre Jugendliebe zu trauern, doch es machte sie nervös, Lord Jarret nach dem Kuss am vergangenen Abend von Rupert zu erzählen. Es war ihr äußerst unangenehm, derart intime Einzelheiten aus ihrem Leben preiszugeben.
Nicht dass es Lord Jarret kümmerte! Für ihn war sie nur eine Frau, die ihn dazu gebracht hatte, etwas zu tun, das er nicht tun wollte – eine Beschwernis in seinem sonst so sorglosen Leben. Was scherte es ihn, was sie erlitten hatte?
Dennoch spürte sie, wie er sie neugierig musterte.
»Und Sie haben nie geheiratet«, sagte er in neutralem Ton. »Sie müssen ihn sehr geliebt haben.«
»Ja.« Sie hatte ihn geliebt, wie jedes Mädchen seine erste große Liebe liebte: mit blinder, reiner, vorbehaltloser Leidenschaft.
Manchmal fragte sie sich, ob ihr Vater vielleicht recht damit gehabt hatte, dass sie zu jung gewesen waren. Was hatten sie und Rupert außer ihrer Nachbarschaft und ihrem jugendlichen Gefühlsrausch eigentlich miteinander gemein gehabt? Ihre Lieblingsbeschäftigungen waren Lesen und Kartenspielen gewesen; er war gern auf die Rebhuhnjagd gegangen und hatte auf die Pferderennen in Burton gewettet. Was wäre geschehen, wenn sie ihre Liebe nicht vollzogen hätten? Hätte sie dann nach seinem Tod einen anderen Mann gefunden, den sie lieben konnte und der ihre Interessen teilte?
Es spielte keine Rolle. Was geschehen war, war geschehen.
Sie setzte ein fröhliches Lächeln auf. »Aber wie dem auch sei, das ist Vergangenheit. Sie sagten, Sie haben Fragen in Bezug auf die Brauerei. Wir können uns genauso gut jetzt darüber unterhalten, was meinen Sie?«
Nach einem prüfenden Blick in ihr Gesicht nickte er. »Warum nicht?«
Obwohl nun die Probleme von Lake Ale zur Sprache kamen, war sie froh, das schmerzliche Thema Rupert hinter sich zu lassen. Ein für alle Mal, wie sie hoffte. Es war nicht gut, wenn Lord Jarret zu viele ihrer Geheimnisse kannte.
Jarret fand das Gespräch mit Annabel hochinteressant. Sie kannte sich viel besser aus, als er gedacht hatte. Er hatte nicht gewusst, dass die Gerste für das Malz so teuer geworden war und dass die Fassbinder höhere Preise verlangten.
Noch wichtiger war jedoch, dass ihr Plan zur Rettung des Unternehmens ihres Bruders nicht nur Hand und Fuß hatte, sondern tatsächlich aufgehen konnte. Nach dem morgendlichen Besuch bei seiner Großmutter hatte er mit einem Kapitän der East India Company gesprochen, den er aus den Spielhöllen kannte, und der Mann hatte alles bestätigt, was Annabel ihm erzählt hatte. Er hatte sogar damit geprahlt, wie viel er mit der ersten Schiffsladung Hellbier von Allsopp verdienen würde.
Das Projekt kam ihm mit jedem Augenblick weniger riskant vor. Aber das Problem mit dem kranken Bruder bestand weiter und beunruhigte ihn.
Es war bedauerlich, dass sie das Projekt nicht selbst abwickeln konnte. Aber solange ihr Bruder der Besitzer der Brauerei war, würde kein Mann mit ihr Handel treiben. Frauen hatten in solchen Fällen keine Rechte. Großmutter hatte sich nur durchsetzen können, weil ihr Mann gestorben war und ihr die Brauerei vermacht hatte, und sie hatte für jeden Erfolg kämpfen müssen wie eine Löwin.
Annabel war sicherlich eine Kämpferin, aber Hugh Lake war derjenige, der Entscheidungen treffen konnte, und nach dem, was Annabel erzählt hatte, traf er sie auch weiterhin. Sie verrichtete nur zusammen mit dem Geschäftsführer die tägliche Arbeit.
Die Umstände erschienen ihm sehr sonderbar. Und was noch schlimmer war – er wurde das Gefühl nicht los, dass Annabel ihm nicht alles sagte. Sie wich bestimmten Fragen aus, und auf gewisse Punkte ging sie gar nicht erst ein. Tat sie es, weil sie die Antworten nicht kannte? Oder weil sie ihm nicht antworten wollte ?
Dann war da noch das merkwürdige Verhalten des jungen George. Wenn sie über Lake Ale sprachen, verfiel der Knabe in Schweigen, fast als hätte man ihm verboten,
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