Spiel der Herzen (German Edition)
taxierte ihn kurz. »Ich dachte, ihr wolltet Mrs. Plumtree um Hilfe bitten.«
»Sie war leider verhindert, aber ihr Enkel hat sich bereit erklärt, uns an ihrer Stelle zu helfen. Lord Jarret Sharpe, darf ich Ihnen Mrs. Cranley vorstellen? Sie und ihr Mann sind die Besitzer dieses Gasthauses.«
Als Mrs. Cranley seinen Namen hörte, veränderte sich augenblicklich ihr Gesichtsausdruck. Sie machte zwar einen steifen Knicks und murmelte eine Begrüßung, doch ihr Gebaren verriet, dass sie Jarret für einen Adjutanten des Teufels hielt, wenn nicht gar für den Leibhaftigen selbst. Offensichtlich war ihm sein Ruf wieder einmal vorausgeeilt.
Kaum hatte sie sich aufgerichtet, fasste sie Mrs. Lake und Annabel an den Armen. »Kommt, ihr beiden, wir müssen uns unterhalten!«
»Bleib bei Seiner Lordschaft, Geordie«, wies Mrs. Lake den Jungen an.
Großartig. Nun musste er auf den Knaben aufpassen wie ein Lehrer beim Schulausflug.
»Und vergiss nicht, die Örtlichkeiten aufzusuchen«, rief Annabel.
»Tante Annabel!«, protestierte der Junge und wurde rot bis unter die Haarwurzeln.
Als sie und seine Mutter mit der Frau des Gastwirts davongingen, wendete Geordie sich Jarret zu. »Sie behandeln mich immer, als wäre ich noch ein kleines Kind. Das ist verdammt peinlich!«
Jarret verkniff es sich, darauf hinzuweisen, dass er das Problem mit Wörtern wie »verdammt« sicherlich nicht lösen würde. »Es tut mir leid, George, aber für die beiden wirst du immer ein Kind bleiben, wie alt du auch wirst.«
Dieser Gedanke entsetzte George offenbar sehr. »Behandelt Ihre Mutter Sie auch so?«
»Nein.« Jarrets Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. »Sie ist gestorben, als ich etwas älter war als du jetzt.«
»Oh, richtig, ich vergaß.« George steckte die Hände in die Taschen. »Das ist schrecklich. Ich möchte wirklich nicht, dass Mutter und Tante Annabel sterben, aber manchmal wünschte ich, sie würden mich einfach in Ruhe lassen. Zum Beispiel, wenn Toby Mawer in der Nähe ist.«
»Wer ist Toby Mawer?«
»Mein Erzfeind. Er ist siebzehn und größer als ich. Und er lungert ständig mit seinen Freunden auf der Wiese hinter unserem Haus herum und wartet nur darauf, mich zu quälen.«
»Ah. Mein Erzfeind in der Schule hieß James Pratt. Er hat mir immer alles weggenommen.«
»Genau! Er hat versucht, mir die Uhr wegzunehmen, die Vater mir zu Weihnachten geschenkt hat, aber ich bin ihm davongelaufen.« Die Worte purzelten nur so aus dem Jungen heraus. »Er nennt mich immer Georgie-Porgie. Und einmal, als er gesehen hat, wie Mutter mich auf die Wange küsste, hat er mich ein Muttersöhnchen geschimpft. Warum muss sie mich auch küssen, wenn die anderen Jungen dabei sind?«
»Weil Frauen sich für diese Dinge immer den falschen Zeitpunkt aussuchen. Mir war es immer furchtbar peinlich, wenn Mutter im Beisein meiner Freunde so ein Getue um mich gemacht hat. Aber nachdem sie nun nicht mehr unter uns ist …«
Er biss sich auf die Zunge. Beinahe hätte er zugegeben, dass er seinen rechten Arm dafür geben würde, wieder von seiner Mutter umsorgt zu werden. Zu beobachten, wie Mrs. Lake und Annabel den Jungen verhätschelten, hatte eine absurde Verbitterung in ihm geweckt. George hatte keine Ahnung, wie fragil liebevolle Zuwendung war und wie leicht sie einem genommen werden konnte …
Gott, nun wurde er wirklich sentimental. Das kam dabei heraus, wenn man andere zu nah an sich heranließ. Dann begann man sich nach Dingen zu sehnen, nach denen man sich besser nicht sehnte.
Er klopfte George auf die Schulter. »Genug davon. Wir könnten schon einmal einen Tisch besorgen, während die Damen plaudern.«
Das Gasthaus war um diese Tageszeit nicht sehr voll, und sie fanden schnell einen Platz. Jarret bestellte, was die Damen laut George mögen würden, dann beschloss er, die Zeit mit dem Jungen gut zu nutzen. »Wie lange ist dein Vater eigentlich schon krank?«
George erstarrte. »Ich … Ich … Nun, eine Weile. Eine ganze Weile.«
Eine ganze Weile? Das klang nicht nach der Art von Erkrankung, die Annabel beschrieben hatte.
»Dann ist es etwas Ernstes«, sagte er mitfühlend.
»Nein … Ich meine … Ja.« George lächelte unsicher. »Ich weiß es nicht genau.«
Sonderbar. »Und er geht gar nicht mehr in die Brauerei?«
»Manchmal schon«, entgegnete der Junge zögernd. »Wenn er nicht so … wenn er sich besser fühlt.«
»Und wenn er nicht geht, geht deine Tante. Begleitest du sie?«
»Nein.« Er blickte gequält
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