Spiel der Herzen (German Edition)
ist eine Berline, nicht wahr, gnädiger Herr?«, fragte er.
»In der Tat.«
»Mit doppeltem Langbaum und Vollfederung?«
»Ich habe keine Ahnung«, entgegnete Jarret.
»Geordie interessiert sich sehr für Kuschen«, erklärte Annabel.
»Sie muss Vollfederung haben«, fuhr Geordie fort. »So geschmeidig, wie sie um die Kurve fährt.« Er wippte auf seinem Sitz. »Und gut gepolstert ist sie auch. Sie muss Sie ein Vermögen gekostet haben!«
»Geordie!«, schimpfte Sissy. »Sei nicht unhöflich.«
»Ich weiß gar nicht, was sie gekostet hat«, sagte Jarret. »Sie gehört meinem Bruder.«
»Oh, richtig«, murmelte Geordie, »Ihr Bruder ist der Marquess.« Er schaute zu Jarret auf. »Vielleicht sehen Sie deshalb nicht wie ein Lord aus.«
Lord Jarret stutzte. »Wie sehen Lords denn aus?«
»Sie haben Monokel und schicke Gehstöcke.«
»Ah, natürlich.« Seine Lordschaft schien sich das Grinsen verkneifen zu müssen. »Ich muss meine Sachen in der anderen Kutsche vergessen haben.«
Geordies Augen leuchteten auf. »Sie haben noch eine Kutsche? Was für eine? Einen offenen Zweispänner? Einen Phaeton? Oh, es ist bestimmt ein Phaeton – so etwas fahren heutzutage alle Lords!«
»Nein, ich habe ein Kabriolett, einen zweirädrigen Einspänner.«
»Ein Kabriolett«, flüsterte Geordie ehrfürchtig. »Davon habe ich schon gehört, aber gesehen habe ich noch nie eines. Fahren Sie Rennen?«
»Nein. Das überlasse ich meinem jüngeren Bruder. Vielleicht sagt dir sein Name etwas: Lord Gabriel Sharpe.«
Nun geriet Geordie vollends in Verzückung. »Ihr Bruder ist der Todesengel?«
»Woher hast du das denn?«, fragte Annabel entsetzt.
»Von Mutter. Es stand in einem ihrer Klatschblätter.«
Sissy errötete. »Gnädiger Herr, bitte verzeihen Sie. Mein Sohn neigt dazu, den Mund aufzumachen, ohne vorher nachzudenken.«
Lord Jarret lachte und warf Annabel einen verstohlenen Blick zu. »Das scheint in der Familie zu liegen.« Als sie ihn wütend anfunkelte, schob er nach: »Es macht nichts. Ich weiß, wie mein Bruder genannt wird.«
Eine Weile herrschte Schweigen in der Kutsche, dann sagte Sissy: »Wir sind Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie Lake Ale helfen wollen, Sir.«
»Ich hoffe, niemand von uns wird es bereuen«, entgegnete er mit einer gewissen Skepsis. »Ich habe gerade erst einen Fuß ins Biergeschäft gesetzt, und es ist alles Neuland für mich. Wäre unsere Wette nicht gewesen, hätte ich nie im Leben –«
Er verstummte und stöhnte leise.
»Keine Sorge, gnädiger Herr«, sagte Sissy. »Ich weiß, dass Annabel Sie beim Whist geschlagen hat. Sie erzählt mir alles.«
»Alles?« Er sah Annabel mit zusammengekniffenen Augen an. »Hat Sie Ihnen auch erzählt, um was wir gewettet haben?«
»Gewiss doch.« Sissy tätschelte Annabels Hand. »Sie ist ein großes Risiko eingegangen, muss ich sagen. Der Ring ihrer Mutter bedeutet ihr sehr viel. Sie hätte ihn nicht aufs Spiel setzen dürfen.«
Als ein verschmitztes Funkeln in seine Augen trat, blieb Annabel beinahe das Herz stehen. Er wollte doch wohl nicht … Oh Gott, beabsichtigte er etwa allen Ernstes …
»Aber hätte sie es nicht getan, hätte ich die Wette nicht angenommen. Es war schon etwas sehr Verführerisches nötig, um mich dazu zu bringen, der Brauerei Ihres Gatten eine Chance zu geben.« Er war so dreist, ihr zuzuzwinkern. »Zum Glück hatte Miss Lake genau die richtige Verlockung zu bieten.«
Annabel sah ihn grimmig an. Dieser Mistkerl! Er hatte seine helle Freude daran, mit ihrer Angst um ihren guten Ruf zu spielen. Aber das hatte sie wohl auch verdient, weil sie sich auf diese haarsträubende Wette eingelassen hatte.
»Sie behauptet immer, es sei ein Glücksring«, fuhr Sissy fort.
»Was Sie nicht sagen.« Sein Lächeln ging Annabel zunehmend auf die Nerven.
»Aber das glaube ich nicht«, erklärte Sissy. »Wäre es ein Glücksring, dann wäre Rupert nicht …« Sie verstummte abrupt und sah Annabel an. »Es tut mir leid, meine Liebe. Nach all den Jahren vergesse ich immer wieder, dass es dich noch schmerzt wie am ersten Tag.«
Zumindest vertrieben Sissys Worte das selbstgefällige Lächeln aus Lord Jarrets Gesicht. Wie er sie nun anstarrte, war jedoch fast ebenso unangenehm.
»Wer ist Rupert?«, fragte er.
»Der Verlobte von Tante Annabel«, warf Geordie ein. »Er ist im Krieg gefallen, gleich nachdem Vater und Mutter geheiratet haben. Er war ein großer Held, nicht wahr, Mutter?«
»Ja, Geordie, er war ein guter, mutiger Mann«,
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