Spiel der Herzen (German Edition)
auf Hochglanz polierten schwarzen Husarenstiefeln eine hochherrschaftliche Erscheinung. Da bekam wohl jede Frau weiche Knie.
Außer ihr natürlich.
Als sie sich erhob, kreuzten sich ihre Blicke. »Miss Lake«, sagte er mit dieser rauen Stimme, die ihr noch vom Vorabend in Erinnerung war. »Entschuldigen Sie meine Verspätung. Es gab ein Problem mit den Pferden.«
»Wir können uns schwerlich beklagen, gnädiger Herr«, sagte sie und reichte ihm die Hand. »Wo Sie so großzügig sind, uns nach Burton zu bringen.«
Er drückte ihr kurz die Hand und musterte sie mit einer Vertraulichkeit, die sie erschaudern ließ. In seinem Blick lag etwas Verruchtes, Vielsagendes, bevor er ein freundliches Lächeln aufsetzte.
Nun hatte sie allerdings weiche Knie.
Als Sissy sich räusperte, fuhr sie zusammen. »Lord Jarret«, beeilte sie sich zu sagen, »darf ich Ihnen meine Schwägerin Cecilia Lake vorstellen? Sissy, das ist Lord Jarret Sharpe.«
Er verbeugte sich, und sie knickste artig, und während sie höfliche Floskeln austauschten, kam Geordie an Sissys Seite.
Sie fasste ihn am Arm. »Und das ist mein Sohn Geordie.«
»George«, verbesserte Geordie sie und streckte mannhaft die Hand aus. »George Lake, stets zu Diensten. Sehr freundlich von Ihnen, dass Sie uns in Ihrer Kutsche mitnehmen, Sir. Ich hoffe, es bereitet Ihnen keine allzu großen Unannehmlichkeiten.«
Annabel bekam einen Kloß im Hals, denn Geordie klang plötzlich so erwachsen. Er musste seine Worte in der vergangenen Stunde einstudiert haben.
»Ganz und gar nicht«, entgegnete Lord Jarret ohne die geringste Spur von Herablassung und schüttelte ihm kräftig die Hand. »Es ist mir eine Freude, der Familie Lake zu helfen.«
Geordie platzte beinahe vor Stolz, weil er wie ein Mann behandelt wurde, und sie hätte Lord Jarret küssen können. Geordie war sehr empfindlich, so großspurig er auch tat, und sie konnten es wahrhaftig nicht gebrauchen, dass er den ganzen Tag vor sich hinschmollte, wie er es letzthin häufiger tat.
»Wollen wir dann gehen?« Lord Jarret bot Annabel seinen Arm, und Geordie folgte seinem Beispiel und bot Sissy seinen Arm.
Annabel ließ sich von Lord Jarret hinausführen und versuchte, ihren rasenden Puls zu beruhigen. Auf diese Weise waren sie am vergangenen Abend auch durch die Stadt gegangen, und es hatte keine derartige Wirkung auf sie gehabt. Aber das war vor dem Kuss gewesen. Nun nahm sie die Anspannung in seinem Körper sehr deutlich wahr, die Muskeln, die sich unter ihrer Hand bewegten … und den Rosmarinduft seines Ungarisch Wassers.
»Sie sehen gut aus heute, Miss Lake«, sagte er.
Sissy schnaubte hinter ihr.
Als er Annabel fragend ansah, erklärte sie: »Meine Schwägerin wollte, dass ich mich für die Reise in der Kutsche eines Marquess extravaganter kleide.«
Seine Augen blitzten vor Belustigung. »Und da Sie sich von Titeln nicht beeindrucken lassen, haben Sie es natürlich nicht getan.«
»Es sieht nach Regen aus«, entgegnete sie zu ihrer Verteidigung.
Er sagte nichts und zog nur frech eine Augenbraue hoch.
Als sie die Kutsche erreichten und er ihr beim Einsteigen half, bemerkte sie Sissys Gesichtsausdruck und stöhnte innerlich. Die argwöhnische Miene ihrer Schwägerin verriet, dass ihr nicht entgangen war, wie ungezwungen sie und Lord Jarret miteinander umgingen.
Du liebe Güte, sie musste in seiner Anwesenheit besser auf sich achten.
»Darf ich oben beim Kutscher sitzen?«, fragte Geordie, bevor er einstieg.
»Auf keinen Fall!«, riefen Sissy und Annabel gleichzeitig aus der Kutsche.
Lord Jarret sah sie schräg an. »Ich hätte nichts dagegen, meine Damen.«
»Es ist viel zu gefährlich«, sagte Sissy.
»Stell dir vor, es passiert ein Unfall«, fügte Annabel hinzu. »Das ist nicht der richtige Platz für einen Jungen. Komm zu uns, Geordie. Du wirst nicht dort oben sitzen!«
Murrend, dass er wie ein Kind behandelt wurde, stieg Geordie ein und ließ sich ihnen gegenüber auf die Sitzbank fallen. Auch nachdem sich alle niedergelassen hatten und Jarret dem Kutscher befohlen hatte loszufahren, schmollte er noch mit vor der Brust verschränkten Armen.
Doch lange konnte der Junge sich dem aufregenden London nicht verschließen. Nach einer Weile schaute er aus dem Fenster und beobachtete, wie auf dem Fluss ein Lastschiff beladen wurde. Kurz darauf rang er überrascht nach Atem, als sie recht zügig um eine Kurve bogen, ohne durchgeschüttelt zu werden, wie es in anderen Kutschen der Fall war.
»Das hier
Weitere Kostenlose Bücher