Spiel der Herzen (German Edition)
drein.
Jarret erinnerte sich noch gut daran, wie schmerzhaft es für ihn gewesen war, ins Internat gesteckt zu werden, statt seiner Familie dienlich sein zu können. »Warum nicht?«
»Weil jeder sagt, es sei zu gefährlich für mich.«
Seiner Mutter und seiner Tante zufolge waren offenbar viele Dinge »zu gefährlich« für den armen Geordie. »Und du fragst dich, wie es für dich zu gefährlich sein kann, wenn es für eine Frau nicht zu gefährlich ist.«
»D-das habe ich nicht gesagt.«
Aber seine Unterlippe zitterte, und Jarret wusste, dass er es dachte. Er hätte sich an Georges Stelle genau das Gleiche gefragt. Zwölfjährige Knaben ärgerte es maßlos, gesagt zu bekommen, eine Frau könne etwas besser als sie, selbst wenn es die Wahrheit war.
»Vater sagt, Frauen haben in der Brauerei nichts zu suchen«, bemerkte George.
»Ah.« Kein Wunder, dass Annabel so empfindlich auf dieses Thema reagierte. Aber sie ging offensichtlich trotzdem in den Betrieb. Erlaubte ihr Bruder es nur, weil er wegen seiner Krankheit keine andere Wahl hatte? Oder musste Annabel aus anderen Gründen arbeiten gehen?
Ihn beschlich abermals das Gefühl, dass hier so manches im Verborgenen lag. »Und was hältst du von Frauen in der Brauerei?«
George stutzte. Er wurde anscheinend nie nach seiner Meinung gefragt. »Ich weiß es nicht genau, weil ich selbst nicht hindarf. Tante Annabel scheint Freude an ihrer Tätigkeit zu haben, und Mutter sagt, sie leistet ganze Arbeit.«
»Und dein Vater? Was sagt er über ihr Können?«
»Er sagt, ich soll endlich heiraten und die Brauerei seinem Geschäftsführer überlassen«, ertönte es hinter ihm. Dann trat Annabel an den Tisch und sah ihn zornig an. »Aber nur um das zu erfahren, hätten Sie meinen Neffen nicht aushorchen müssen, nicht wahr?«
Jarret zog eine Augenbraue hoch. Sieh an, dachte er, hier liegt tatsächlich einiges im Verborgenen. Annabel hatte Geheimnisse. Die Frage war nur, welcher Art sie waren. Und ob sie möglicherweise negative Auswirkungen auf ihn und ihre geschäftlichen Pläne haben würden.
Er würde es herausfinden, so oder so.
8
Annabel war bereits verstimmt wegen Mrs. Cranleys Geschwätz, und dass Jarret den armen Geordie ausgefragt hatte, trug nicht zur Besserung ihrer Laune bei. Wenn Lord Jarret den wahren Grund herausfand, warum Lake Ale schwächelte, war mit seiner Hilfe sicher nicht mehr zu rechnen.
Aber sie glaubte nicht, dass er es herausbekommen hatte, denn sonst wäre er nun wütend auf sie. Seine Miene zeigte jedoch keine Anzeichen von Verärgerung; er trug lediglich diesen wachsamen Ausdruck im Gesicht, den sie bereits von ihm kannte.
Gut. Es gab nämlich dringendere Probleme.
»Ich habe schlechte Nachrichten«, sagte sie mit gedämpfter Stimme. »Offenbar ist heute Morgen ein Mann hier im Gasthaus vorbeigekommen, der bei unserer Whist-Partie in London dabei war. Er hat Mrs. Cranley erzählt, eine Miss River aus Wharton habe vergangenen Abend mit seiner Lordschaft in einer Schänke Karten gespielt.«
Ein kleines Lächeln spielte um seine Mundwinkel. »Eine ›Miss River‹? Und Ihre Freundin Mrs. Cranley hat es nicht begriffen?«
»Glücklicherweise nicht. Und sie ist nicht meine Freundin. Da der Informant gewisse unschöne Andeutungen über Ihr ›skandalöses Benehmen‹ gegenüber ›Miss River‹ gemacht hat, ist Mrs. Cranley sehr besorgt darüber, dass wir mit Ihnen reisen.« Voller Bitterkeit fügte sie hinzu: »Sie sagt, Sie seien ein berüchtigter Verführer unschuldiger Frauen, und wir sollten Sie schleunigst fortschicken und auf die nächste Postkutsche warten.«
Seine Miene versteinerte, und nur das Funkeln in seinen blaugrünen Augen verriet seinen Zorn. Sie bekam Mitleid mit ihm. Er musste das Gerede der Leute wirklich satthaben.
Andererseits war sie die Einzige, die unter dem Gerede der Leute zu leiden haben würde, falls jemals jemand eine Verbindung zwischen »Miss River aus Wharton« und »Miss Lake aus Burton« herstellte. Sie wünschte, sie könnte Mrs. Cranley auf den Kopf zusagen, was sie von Klatschbasen wie ihr hielt, aber damit lenkte sie die Aufmerksamkeit der Frau nur in die falsche Richtung.
Das war die Strafe dafür, dass sie sich auf diese Wette eingelassen hatte. Ihr hätte klar sein müssen, dass die Männer in der Schänke die schlimmsten Spekulationen darüber anstellen würden, welchen Einsatz ihr ein Schuft wie Jarret wohl abverlangt hatte. Sie hätte inzwischen daran gewöhnt sein müssen, dass Männer
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