Spiel der Herzen
es.
»Zufrieden?« fragte sie ein letztesmal.
Werners Antwort bestand nur noch in Stöhnen, Stöhnen. Er nahm nichts anderes mehr wahr als das unbeschreibliche Ausmaß seiner immer noch anwachsenden Lust.
»Dein Taschentuch, bitte«, sagte Clara.
Aber darauf reagierte er nicht mehr. Was blieb Clara deshalb anderes übrig, als mit ihrer Linken ihr Werk zu vollenden und ihre Rechte Werner rechtzeitig auf den Mund zu pressen, als sein Aufbäumen ankündigte, daß ihm jegliche Kontrolle über sich verlorengegangen war. Ein unterdrücktes, langes, von Claras Handfläche gedämpftes Heulen begleitete den Orgasmus, der stattfand und im selben Moment endete, in dem Frau Lehner einen fertiggeschriebenen Brief aus ihrer Maschine drehte, um ihn ihrem Chef zur Unterschrift zu bringen.
Blitzschnell reagierte Clara wieder, langsamer wich Werner der Nebel von den Augen. Claras Schuh beseitigte auf dem Boden die Spuren dessen, was geschehen war. Werner handhabte seinen Reißverschluß erst, als ihn Claras gezischte Aufforderung daran erinnerte.
»Herr Doktor«, sagte Frau Lehner, über die Schwelle tretend, »welche Adresse hat diese Thekla Bendow? Das müssen Sie mir noch sagen.«
Noch halb im Gedanken an das Paradies, in das er geblickt hatte, antwortete er: »Düsseldorf, postlagernd.«
»Und wie schreibt man ›in absentia‹? Groß oder klein?«
»Klein.«
»Mit Te oder mit Zet?«
»Mit Te.«
»Dann hab' ich's falsch geschrieben und muß es noch einmal ändern.«
Nachdem Frau Lehner mit ihrem Brief wieder verschwunden war, sagte Werner zu Clara: »Warum fragt sie mich das nicht vorher?«
»Sei froh drum«, antwortete Clara. »Sonst wäre sie nämlich schon früher reingekommen.«
»Stimmt«, mußte er zugeben, wobei er grinste.
»Komm«, sagte sie.
Sein Blick wechselte von ihr zum Schreibtisch. Der Sinn nach Arbeit war wieder in ihm erwacht.
»Wohin?« fragte er.
»Zu mir.«
»Jetzt?«
»Was denn sonst, mein Lieber?«
»Warum?«
»Warum?« wiederholte sie, ihm das Messer auf die Brust setzend. »Darum!«
Noch hoffte er, sie umstimmen zu können.
»Clara«, meinte er, »ich lüge wirklich nicht, wenn ich dir sage, daß mir die Arbeit über den Kopf wächst.«
Claras Rede konnte sein wie ein Messer, auch wenn – und gerade wenn – ihre Worte von einem Lächeln begleitet waren.
»Davon habe ich in der letzten Viertelstunde nichts gemerkt«, erklärte sie.
»Clara!« stieß er nur hervor; mehr nicht.
»Ja?«
Er blickte sie an, sie ihn. Es war ein stummes Duell. Am Ausgang war nicht zu zweifeln. Nicht sie war ihm noch etwas schuldig, sondern er ihr.
»Na gut«, seufzte er schließlich, »meinetwegen. Laß uns aber wenigstens noch warten, bis die den Brief ausgebessert hat.«
Clara lächelte; nun aber wieder lieb.
»Einverstanden, Süßer.«
Frau Lehner hätte dann von ihrem Chef gern auch gewußt, ob sie ihn heute noch einmal wiedersehen würde, als er sich anschickte, zusammen mit Clara das Büro zu verlassen. Sie fragte ihn das.
»Sicher«, antwortete er, obwohl er natürlich nicht daran glaubte.
Auf der Straße hängte sich Clara bei ihm ein, kuschelte sich an ihn.
»Süßer«, sagte sie, »wir gehen ins Bett, das ist dir doch klar?«
Diesem Gedanken rasch wieder Freude abgewinnend – das Büro lag hinter ihm; es war vergessen –, nickte er: »Prima!«
»In deines oder in meines?«
»In deines, sagtest du doch.«
Ihres lag auch einen halben Kilometer näher als seines.
»Ich muß dich aber darauf aufmerksam machen«, teilte sie ihm lachend mit, »daß meine Kissen noch naß sind.«
»Naß? Von was?«
»Von den Tränen, die ich in den vergangenen zwei Nächten in sie hineingeweint habe.«
»Komm«, sagte er, seinen Schritt beschleunigend, »laß sie uns trocknen.«
Sie widersprach: »Im Gegenteil, sie sollen noch nässer werden.«
»Wie das? Von deinen Tränen?«
»Das möchte dir so passen.« Sie puffte ihn in die Seite. »Nein, von deinem Schweiß, den ich dir abverlangen werde.«
Claras Wohnung war nichts Besonderes – zweieinhalb Räume in einem Altbau. Hervor stach aber die Einrichtung: die Möbel, die Teppiche, die Bilder. Vieles antik; es lieferte den Hinweis auf Claras Herkunft aus einem adeligen Haus, von dem sie sich vor einigen Jahren plötzlich abgenabelt hatte. Sie hatte auf eigenen Beinen stehen wollen, beweisen, daß sie das fertigbrachte. Sie war verlobt gewesen, fast ein Jahr lang schon, mit einem reichen, jungen Baron, der ernsthaft auf Eheschließung
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