Spiel der Herzen
in die Zukunft.
»Aber erst werde ich mir noch Thekla Bendow zur Brust nehmen.«
»Wen?« stieß Frank hervor.
»Thekla Bendow.«
»Wieso du?«
»Weil du sie dir nicht zur Brust nehmen willst«, sagte Werner grinsend. »Deshalb stellt sich mir diese Aufgabe. Ich sehe das so kommen, letzten Endes jedenfalls, wenn deine Briefe ausgedient haben werden. Verstehst du, was ich meine?«
Frank schwieg. Er blickte Werner nur stumm an. Was er sich dachte, war seiner Miene nicht zu entnehmen. Noch am gleichen Tag schrieb er an Thekla Bendow. Er koppelte seinen Brief ganz bewußt völlig vom ersten Entwurf ab, so daß es keine Ähnlichkeit mehr gab. Der Brief lautete:
Sehr verehrte gnädige Frau! Ihr reizender Brief hat mich erreicht. Möge er der Beginn einer Kette sein, die so bald nicht abreißt und uns beiden Freude bereitet. Ihren Zeilen, die ich in Empfang nehmen darf, wird das sicher leichter gelingen als den meinen, die ich Ihnen schreibe.
Sie haben also damit angefangen, mich einem unbekannten Soldaten gleichzusetzen, dem im Krieg von einem ihm unbekannten Mädchen geschrieben wird. Sie beriefen sich dabei auf die Erzählung Ihres Vaters. Daraus konnte ich schließen, daß Ihr Vater den Krieg überlebt hat. Viele haben das nicht und waren so daran gehindert, eine Tochter in die Welt zu setzen, die voller Rätsel ist.
Sie mögen keine Kinder, schreiben Sie. Das ist für mich eines dieser Rätsel. Angeblich lieben viele Frauen Kinder nicht – aber welche Frau gibt das ohne weiteres zu? Das bringt sie doch in Mißkredit? Das widerspricht ihrer Natur? So heißt es doch?
Ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich bin keine Frau. Würden Sie sich dazu noch näher äußern? (Falls Sie Lust dazu haben.)
Das zweite Rätsel, das Sie mir aufgaben, ist, daß Männer, deren gute Eigenschaften die schlechten überwiegen, für Sie Fabelwesen sind. Darf ich Ihnen nur ein paar Namen entgegenhalten: Abel (Kains Bruder); Kaspar Hauser; Dr. Guilletin (Wegbereiter einer schmerzlosen Hinrichtungsart); Albert Schweitzer. Die müßten Ihnen doch auch zu denken geben. Man könnte noch viele, viele anführen, die ganzen Heiligen der zahlreichen Religionsgemeinschaften z. B.
Lassen Sie mich aber gleich sagen, daß ich nicht daran denke, mich selbst auch in eine dieser Reihen eingliedern zu wollen. Ein solcher Verdacht könnte Ihnen ja gekommen sein. O nein, ich bin einer mit vielen Fehlern und kaum einer Tugend! Und das stimmt wirklich, es hat nichts damit zu tun, daß mir Werner Ebert (Sie wissen, wer er ist) geraten hat, mich Ihnen gegenüber möglichst schlecht zu machen. Er ist zwar mein Freund, aber, wie Sie sehen, ein Schurke. Gerade deshalb verstehe ich nicht, daß er bei Frauen so großen Erfolg hat. Den hat er nämlich. Ich nicht. Mich lassen fast alle links liegen. Warum? Ich weiß es nicht. Frauen machen sich nichts aus Äußerlichkeiten, heißt es immer. Wenn das wirklich so wäre, müßte ich mich nicht mehr retten können vor ihnen. Leider ist aber das, wie gesagt, nicht der Fall. Vielleicht können Sie sich jetzt den Grund denken.
Sie können das sogar sicher, denn aus Ihrem Brief geht hervor, daß Sie sehr intelligent sind – und humanistisch gebildet. Ich entnehme das dem Satz in Ihrem Brief, daß sich die amerikanischen Mädchen gern per pedes auf dem Bürgersteig bewegen. Auf deutsch heißt das zu Fuß. Warum haben Sie das nicht so geschrieben? Zeigen Sie den Leuten gern Ihre Bildung vor?
In Amerika war ich noch nicht, aber in Heidelberg. Insofern erzielte ich also Deckungsgleichheit mit einem amerikanischen Urinteresse.
Sie müssen ganz toll aussehen, gnädige Frau. Die Boys aus den USA – Ihre Kronzeugen, die Sie anführen – haben Ihnen das bestätigt. Als ich das in Ihrem Brief las, wurde ich grün vor Neid. Warum ist es uns armen, degenerierten Europäern verwehrt, einer Dame unsere Bewunderung auch in einer solchen Form zu erkennen zu geben?
Nun zum Schluß, gnädige Frau: Sie sind geschieden; schuldig. Na und? Heutzutage denkt man doch darüber ganz anders als zu Großmutters Zeiten. Es wäre gar nicht nötig gewesen, diese Beichte in Ihrem Brief abzulegen. Nachdem Ihre Ehe ein Fehlschlag war, ist Ihnen zuzustimmen, wenn Sie sagen, daß es ein Versäumnis von Ihnen war, die Auflösung nicht schon viel früher vollzogen zu haben.
Mit allerbesten Grüßen
Frank Petar
PS: Bei nochmaligem Durchlesen des Briefes stellte ich fest, daß er unmöglich ist. Er hat kein Niveau und keinen Stil, es geht durcheinander
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