Spiel der Herzen
müssen sich also, wie gesagt, nicht beeilen. Exakt kann ich noch nicht sagen, wie lange ich weg sein werde. Ich denke acht, höchstens vierzehn Tage. Dann hören Sie wieder von mir.
Herzlichst
Ihre Thekla
Die Einreihung Claras in die Riege der Heidenohler Skatspielerinnen ging reibungslos vonstatten. Clara war ein Mädchen, das überall rasch Fuß faßte, wenn man ihr nur ein bißchen entgegenkam. Das war hier der Fall, dafür sorgte schon Helga. Die einzige Schwierigkeit, die manchmal zu spüren war, resultierte aus dem großen Altersunterschied zwischen Clara und einem Teil der anderen Damen. Aus einer solchen Differenz ergibt es sich schon immer und überall, daß von den Alten ein besonders scharfes Auge auf die Junge geworfen wird. Helga stand aber auch altersmäßig im Lager Claras, so daß diese sich ihr auch diesbezüglich noch verbündet wissen konnte.
Wichtig war, daß Clara ihren Mitspielerinnen rasch Bewunderung abnötigte. In ihr ruhe ein beachtliches Spielvermögen, hatte sie Werner Ebert und Frank Petar bedeutet. Und das bewahrheitete sich. Ihr wurde bald der Rang einer Matadorin zuerkannt. In Heidenohl galt das etwas. Clara gewann ein Ansehen, das sich ausweitete und auch auf anderen Sektoren zum Tragen kam. So erschienen in ihrem Laden plötzlich Damen und kauften ein, die sich vorher nie hatten sehen lassen. Das war das erfreulichste für Clara. Als sie zuletzt auch noch im Turnier selbst Glück hatte und den zweiten Platz in der Damenklasse belegen konnte, hatte sie in Heidenohl auf allen Ebenen – von der geschäftlichen bis zur gesellschaftlichen – sozusagen den Durchbruch geschafft. Nun war es erreicht, daß sie ›dazugehörte‹.
»Bist du stolz auf mich?« fragte sie Werner.
Sie lagen, wie so oft, wieder einmal zusammen im Bett und hatten gerade eine, wenn man so sagen will, schöpferische Pause.
»Du aber auch auf mich«, antwortete er. »Oder war's dir zuwenig?«
»Ich meine doch jetzt etwas anderes«, kicherte sie.
»Was denn?«
»Meinen allgemeinen Triumph in Heidenohl.«
»Der freut mich sehr, ja«, sagte er.
»Wenn das so weitergeht«, übertrieb sie in ihrer verständlichen Euphorie, »kann ich bald an eine kleine Erweiterung meines Ladens denken.«
»Erst wirst du an etwas anderes denken, Süße.«
»Sag das noch mal.«
»Erst wirst du –«
»Nicht das«, unterbrach sie ihn.
»Was dann?«
»Süße.«
Seine Antwort entbehrte des Zusammenhangs.
»Laß ihn in Ruhe.«
Zwei-, dreimal zuckte sein Leib unter der Decke.
»Hör mir erst zu«, fuhr er dann fort. »Du wirst also zunächst nicht an eine Geschäftserweiterung, sondern an etwas anderes denken.«
»An was denn?«
»An die Rückzahlung meines Darlehens.«
»Deines Darlehens?« Claras Stimme nahm einen nicht mehr zu steigernden Klang der Verwunderung an. »Ich weiß nichts von einem Darlehen.«
»Mit anderen Worten: du betrachtest meine fünfzehntausend Mark als Schenkung?« Sein Leib zuckte wieder. »Du sollst ihn in Ruhe lassen.«
»Wieso Schenkung?« erwiderte Clara. »Habe ich dir nicht einen nachweisbaren Gegenwert geliefert?«
»Das wird rückgängig gemacht.«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil ich das Geld dazu nicht habe.«
»In Zukunft hast du's.«
»Erstens«, sagte Clara, »ist das noch nicht absolut sicher. Und zweitens«, setzte sie hinzu, »werde ich noch lange, lange Zeit jede Mark brauchen, um sie ins Geschäft zu stecken. Das ist mir wichtiger als irgendein Schinken an der Wand.«
»Schinken?! Bist du verrückt?!«
»Nicht daß ich wüßte.«
»Das Bild ist wunderbar! Ganz herrlich!«
»Es befriedigt mich, daß es dir so viel bedeutet. Dann kannst du wenigstens nicht das Gefühl haben, zuviel dafür bezahlt zu haben.«
»Clara, ich … du sollst ihn jetzt endlich in Ruhe lassen!« unterbrach er sich. »Wie oft muß ich dir das noch sagen?«
»Oft.«
»Hör mir lieber zu. Ich habe auch mit Frank Petar über die ganze Angelegenheit gesprochen. Er ist derselben Meinung wie ich. Ich kann das Bild nicht behalten.«
»Frank Petar ist ein netter Kerl, ich mag ihn sehr, aber seine Meinung in dieser Angelegenheit interessiert mich nicht im geringsten.«
»Du hast mich in eine Falle gelockt.«
»Ich wüßte nicht, in welche«, erwiderte Clara und erhöhte zugleich ihre Aktivität unter der Decke so sehr, daß sich Werner dadurch außerstande fühlte, dieses Gespräch fortzuführen. Mit ihr sei nicht zu reden, seufzte er nur noch, dann war die schöpferische Pause, von der die Rede
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