Spiel der Herzen
Rechtsanwalt, ein Vierziger mit jung gebliebenem Herzen; seine Gefährtin Ingrid Strathmann hatte den Beruf einer Floristin erlernt und übte ihn als Inhaberin eines kleinen Blumengeschäftes aus. Der Kinderarzt hieß Friedrich Amerkamp, seine Frau Waltraud war eine geborene Anzengruber, was auf eine bayrisch/österreichische Abstammung hindeutete, die dann auch ihre Bestätigung darin fand, daß die Dame im Dirndl erschien. Auch die Kleidung der übrigen wurde vor allem dem Bedürfnis nach Bequemlichkeit und Ungezwungenheit gerecht.
»Welche Überraschung!« rief Werner Ebert, als er Gerti erblickte. »War das beabsichtigt?«
»Was?« erwiderte sie, während sie seinen Handkuß, den er ihr mit Heiterkeit erregendem Zeremoniell verabreichte, über sich ergehen ließ.
»Daß mir Ihre Anwesenheit bis zu diesem wundervollen Augenblick – bitte das wörtlich zu verstehen – vorenthalten wurde.«
»Meine Anwesenheit war überhaupt nicht geplant«, lachte Gerti. »Ich bin sozusagen hereingeplatzt.«
Helga war damit beschäftigt, die ihr von den Gästen mitgebrachten Blumen in Vasen unterzubringen. Frank stellte jene einander vor, die sich noch nicht kannten.
Die Tatsache, daß Gerti solo war, sicherte ihr bei den Männern sogleich ein gesteigertes Interesse. Erstens war sie bildhübsch, zweitens charmant, drittens intelligent, viertens lustig und – last not least – außerordentlich sexy. Dazu kam noch ein Fünftes: Sie war ein neues Gesicht. Dies alles hatte zum Resultat, daß man ihr, wäre sie ein Mann gewesen, rasch den Titel ›Hahn im Korb‹ hätte zusprechen müssen. Nur Frank legte sich ihr gegenüber aus erklärlichen Gründen Zurückhaltung auf. Normal wäre es gewesen, wenn sich analog mit dem Ansteigen der Beliebtheitskurve Gertis bei den Männern ihre Sympathien bei den Frauen vermindert hätten. Merkwürdigerweise war dies jedoch nicht der Fall. Die Kinderärztin Waltraud Amerkamp störte es nicht, daß ihr Mann ständig den Flirt mit Gerti suchte, wußte sie doch, daß er ein krasser Materialist war, für den die wirtschaftliche Verflechtung in der gemeinsamen Praxis immer den Ausschlag gab, wenn der Bestand seiner Ehe in Gefahr zu geraten schien. Und die Floristin Ingrid Strathmann konnte sich ihres Gefährten Dieter Faber, des Rechtsanwalts, sicher sein, weil er mit seinen erotisch anmutenden Komplimenten, in die er Gerti einhüllte, einem bellenden Hund glich, der nicht mehr biß. Er war nämlich seit Jahren schon völlig impotent und hatte darüber hinaus ein fortgeschrittenes Bandscheibenleiden, das ihm einen gewissen Bewegungsrhythmus außerordentlich erschwert hätte, wenn es ihm eingefallen wäre, auf ihn noch einmal zurückzugreifen. Jung geblieben war also nur sein Herz.
Zum notwendigen Ausgleich ihres Hormonhaushalts legte sich deshalb Ingrid von Zeit zu Zeit mit ihrem Steuerberater ins Bett. Mit Liebe im höheren Sinne hatte das sowohl auf ihrer als auch auf Seite des Steuerberaters nicht das geringste zu tun. Wie es viele, viele Vernunftehen gibt, war dies ein reines Vernunftverhältnis.
Nur Clara v. Berg war nicht einverstanden mit dem, was sich abspielte. Werner hätte aber nicht Werner Ebert – und Gerti nicht Gerti Maier – sein dürfen, wenn sich die beiden in ihrem Verhalten von Claras Anwesenheit hätten einengen lassen. Clara wurde dadurch immer stiller, lediglich ihre Augen, mit denen sie den scharfen Flirt Werners mit Gerti verfolgte, sprachen Bände.
»Wissen Sie«, sagte er zu Gerti, »was Sie sich auch zulegen müssen – wenn Sie es nicht schon besitzen?«
»Was denn?« fragte Gerti.
Er nickte hin zu Waltraud Amerkamp (geb. Anzengruber).
»Ein Dirndl.«
»Habe ich längst«, sagte Gerti. »Ich lebte doch, wie Sie wissen, Jahre in Bayern.«
»Schade, daß Sie's nicht anhaben.«
»Warum?«
Werner grinste.
»Weil … wie soll ich mich ausdrücken? … gewisse Merkmale der Figur einer Frau am allerbesten zum Ausdruck kommen in einem Dirndl.«
»Er meint: der Busen.«
Das kam, eingebettet in Gelächter, vom impotenten Rechtsanwalt Faber, bei dem schon der Alkohol mit sprach, ebenso wie beim Kinderarzt Amerkamp, der hinzufügte: »Laßt es mich als Mediziner sagen: Er meint die sekundären Geschlechtsmerkmale einer Frau.«
Allgemeines ›Hallo‹; nur Clara und Helga schlossen sich aus. Clara raunte Werner in einem günstigen Augenblick ins Ohr: »Ich habe Kopfschmerzen.«
Er reagierte nicht.
Clara war gezwungen, auf einen zweiten günstigen Augenblick zu
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